Schon im letzten Herbst regnete es viel zu wenig. Die Landwirte konnten darum kaum Futter für ihr Vieh ernten und einlagern. Und nun fehlt es auf vielen Höfen gar an Wasser, sagt Gerardo Forina vom Bauernverband Coldiretti: «Das Vieh kann nicht trinken und droht zu verenden. Darum mussten einzelne Bäuerinnen und Bauern damit beginnen, ihre Tiere notzuschlachten: Rinder, Schafe, aber vereinzelt auch Pferde sind betroffen», sagt Gerardo Forina in Enna.
Der Ort liegt im Innern der Insel, wo der Lago di Pergusa, der einzige grosse natürliche See Siziliens, bis auf einen kleinen Rest ausgetrocknet ist. Forina rechnet nicht mit schneller Besserung. «Denn», so sagt er, «wir sind ja erst am Anfang des Sommers.»
August und September, zwei besonders heisse und trockene Monate, würden noch bevorstehen. Was Gerardo Forina, der Funktionär des Bauernverbandes in Enna beobachtet, bestätigt Klimatologe Massimilano Fazzini für ganz Sizilien. Auf rund 80 Prozent des sizilianischen Territoriums ist viel zu wenig Regen gefallen. Im Durchschnitt fiel nur die Hälfte des sonst gemessenen Niederschlags. Und vor allem: Der wenige Regen fiel innert weniger Stunden, also sehr heftig. Darum floss das Wasser schnell ab und konnte nicht versickern.
Heute treten extreme Hitze und Trockenheit nicht mehr isoliert, sondern häufig auf.
«Die Folgen sind schwerwiegend», erklärt Professor Fazzini von der Universität Camerino. Die Fruchtbarkeit der Böden lasse nach. Sollte die extreme Trockenheit während Jahren anhalten, so drohe die Verwüstung ganzer Landstriche. Dürren habe es zwar schon früher gegeben, aber es handelte sich um einzelne Jahre. «Heute treten extreme Hitze und Trockenheit nicht mehr isoliert, sondern häufig auf.»
Betroffen sind neben Sizilien auch Sardinien, die Basilicata und Apulien. In Süditalien fällt einzig in Kalabrien genügend Regen. Auf Sizilien mussten viele Gemeinden das Wasser rationieren. Es fliesst nur stundenweise. In Agrigent, an der Südküste, ist die Lage besonders prekär. Dort mussten einzelne Hotels Gäste abweisen, weil Bad und WC ohne Wasser blieben.
Zu kleine Oliven für die Ölproduktion
Sizilien lebt vor allem vom Tourismus und von der Landwirtschaft: Viehzucht, Getreide, Oliven, Zitrusfrüchte, Pistazien, Tomaten oder Oliven. Ohne Regen bleiben die Oliven klein und sind für die Ölgewinnung nicht zu gebrauchen. Schon Anfang Juli beliefen sich die Schäden in der gesamten sizilianischen Landwirtschaft auf eine Milliarde Euro.
Doch Gerardo Forina vom Bauernverband rechnet mit noch höheren Einbussen. Ein Teil der Schäden liesse sich freilich abwenden. Denn schuld an der Misere ist nicht nur der Klimawandel, sondern auch die schlechte Infrastruktur. Es fehlt an Wasserspeichern. Das Regenwasser fliesst oft einfach ab.
Und viele Wasserleitungen sind löchrig, das heisst: Rund 50 Prozent des Trinkwassers versickert. Ginge weniger Wasser verloren, die Auswirkungen der Dürre wären weniger drastisch. Doch Wasserleitungen zu erneuern kostet und dauert. Und die Sommer werden immer heisser. 2021 gab es einen Hitzerekord: 48.8 Grad auf Sizilien.
Die Folgen für ganz Italien sind enorm. Der Bauernverband geht davon aus, dass wegen des extremen Wetters im letzten Jahr fast vier Prozent der gesamten Ernte verloren ging. Bei Oliven und Früchten etwa zehn Prozent.