Die Syrer sind in aller Munde. In Österreich und Deutschland kommen sie in Scharen an. Und wie Bundespräsidentin Sommaruga im Namen des Bundesrats suggerierte, werden sie auch den grössten Teil der in der Schweiz aufzunehmenden Flüchtlinge ausmachen.
Das Wissen vom Syrer – vom Menschentypen also – scheint im Schweizer Volk nicht allzu gross zu sein. Moslems, werfen die einen ein. Auch Christen, sagen die anderen. Doch darüber hinaus bleiben viele Fragen offen. Welche Sprache(n) sprechen die Menschen, die da bald zu uns kommen? Welches Bildungsniveau haben sie? Wie arm/reich sind sie im Verhältnis? Und wie sind sie gesellschaftlich organisiert?
Bevölkerungsgruppen
In groben Zahlen setzt sich die ethnische Bevölkerung Syriens wie folgt zusammen: 85 Prozent Araber, 8 Prozent Kurden, 3 Prozent Armenier, 2 Prozent Turkmenen, 2 Prozent Kaukasier. Laut Jonas Röllin gelangen nun Angehörige aller dieser Bevölkerungsgruppen nach Europa und in die Schweiz.
Denn «der Bürgerkrieg überzieht praktisch das ganze Land, und es handelt sich nicht um einen einseitigen ethnischen Konflikt», sagt der Forschungsassistent am Institut für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie der Universität Bern.
Sprachen
Die Syrer sprechen alle Arabisch im syrischen Dialekt. Allerdings ist die Muttersprache der Kurden, Turkmenen, Armenier und anderen Minderheiten ihre eigene Sprache (also etwa Kurdisch, turkmenisch, armenisch). Die meisten jüngeren Syrer können sich derweil gut auch im Okzident verständigen. Gemäss Röllin haben sie sich «in der Schule, über das Internet oder das Fernsehen relativ gute Englischkenntnisse angeeignet.»
Religion als Bekenntnis
Der Grossteil der Syrer sind mit 88 Prozent Muslime – darunter rund 75 Prozent Sunniten, 10 Prozent Alawiten, 2 Prozent Drusen und 1 Prozent Schiiten und Ismailiten. Zu den verschiedenen christlichen Konfessionen bekennen sich rund 12 Prozent. Auch im Hinblick auf die Religion gilt, dass die Flüchtlinge die Verhältnisse im Land widerspiegeln. Einzig die Alawiten kommen in eher geringerer Zahl, da deren Stammesgebiet – die ans Mittelmeer angrenzende Region im syrischen Nordwesten – bis anhin von grösseren Auseinandersetzungen verschont geblieben ist.
Region in der Praxis
Laut Röllin ist es für die meisten Syrer selbstverständlich, zu einer bestimmten Religionsgruppe zu gehören. «Dies wird durchaus auch symbolisch ausgewiesen. Etwa durch ein grosses Kreuz-Tattoo am Arm oder durch ein Kopftuch.» Auch der Ramadan habe für viele eine grosse Bedeutung. Abgesehen davon «praktizieren Syrer ihre Religion aber kaum mehr als Menschen in Europa.»
Bildungsniveau
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Das Bildungsniveau war, wenigstens bis zum Ausbruch des Krieges vor vier Jahren, bei Frauen und Männern eher hoch. Bildung, auch Universitätsbildung, galt bis anhin als ein Mittelschichtphänomen. Laut Röllin verfügen die Syrer ferner über verschiedene typische handwerkliche Kompetenzen. Sie beherrschen etwa die Herstellung und dekorative Verarbeitung von Möbeln, die Metall- und Schmiedekunst oder auch die Textilproduktion und -verarbeitung.
Soziale Organisation
Die meisten Syrer organisieren ihr Leben in grösseren Familien. Sie zählen zu ihrer unmittelbaren Familie oft auch Grosseltern, Onkel, Tanten und Cousinen. «Eine grosse Familie gilt vielen als natürliches Ideal, und die familiären Bindungen sind in der Regel sehr eng», sagt Röllin. Traditionelles Familienoberhaupt ist prinzipiell der Ehemann und Vater. «Jedoch haben sich», so Röllin, «auch in Syrien in den letzten Jahrzehnten die Geschlechtervorstellungen und -rollen stark verändert.» Wenigstens in den Städten gewinnt auch in Syrien die Kleinfamilie an Bedeutung.
Gesellschaftlicher Status
Grundsätzlich gehören die meisten Syrer der Mittelschicht an. Syrien gilt denn auch nicht als Entwicklungsland. Welche finanziellen Voraussetzungen die Menschen haben, die aktuell nach Europa und in die Schweiz gelangen, ist indes noch schwierig zu sagen. Für eine Klärung müssen sich Abertausende Flüchtlinge erst einmal registrieren.