Es ist eine der grössten humanitären Krisen der Nachkriegsgeschichte. 250'000 Tote, viele davon Zivilisten, eine Million Verletzte und bald fünf Millionen auf der Flucht, so bilanzierte die Uno Ende März.
Während die Hilfebedürftigen an den Aussengrenzen der Europäischen Union mit den Eigenheiten des europäischen Flüchtlingsbegriffs ringen, kämpfen die zurückgebliebenen Syrer mit einer Heimat, die in Schutt und Asche liegt.
«Ein riesengrosser Trümmerhaufen»
Die meisten Hilfswerke haben sich zurückgezogen, auch Journalisten sind kaum mehr vor Ort. Einer der wenigen, die in dieser Hölle Hilfe leisten, ist Severiyos Aydin. Der Schweizer mit syrischen Wurzeln hat im Januar 2013 das Hilfswerk «Aramaic Relief International» gegründet.
Zweck seiner Hilfsorganisation ist die Direkthilfe für Menschen in Gebieten, wo der Arm der internationalen Gemeinschaft nicht mehr hinreicht. Gerade letzte Woche hat Aydin die syrische Stadt Homs und die umliegenden Ortschaften Sadad (5 km vom IS entfernt), Zaidal, Fairuza und Meskene besucht. Was er erzählt, ist erschütternd.
«Es handelt sich in allen Fällen um Orte, die lange umkämpft waren,» erzählt Aydin. Wie zum Beispiel die Grossstadt Homs. Sie war fast drei Jahre lang Ort unbarmherziger Gefechte, heute gleicht sie einem riesengrossen Trümmerhaufen.» Das Ausmass der Zerstörung sei gigantisch, selbst die historische Altstadt wurde nicht verschont.
Ohne Hilfe flüchten auch diese Menschen
In der Ferne sind ständig Detonationen zu hören, hin und wieder explodieren auch Granaten in der Region. Zwar fühle man sich dank der vielen Checkpoints und der Militärpräsenz von Assads Truppen relativ sicher, sagt Aydin, gefährlich bleibe die Gegend dennoch.
Die genauen Zahlen derjenigen, die zurück geblieben sind, kennt niemand. Aydin spricht von einer halben Million Menschen. «Als ich letzte Woche dort war, sah ich sehr viele Menschen, die ihrem Alltag nachzugehen versuchten. Das war sehr eindrücklich.»
Ihre grösste Sorge gelte dem Fortgang des Krieges, der eigenen Sicherheit und der humanitären Situation. «Wenn sich die Lage verschlechtert, werden auch diese Menschen gezwungen sein, das Land zu verlassen», sagt Aydin im Interview mit SRF News.
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Eine enorm grosse Liebe zur Heimat
Was diese Menschen von jenen unterscheidet, die sich für die Flucht entschieden haben, sei eigentlich nicht zu beantworten, sagt Aydin. Da würden auch geografische, wirtschaftliche und politische Gründe eine Rolle spielen.
«Ich kann von den Menschen erzählen, die ich kürzlich in Homs getroffen habe. Als Christ beschäftige ich mich auch stark mit der Verfolgung der Minderheiten im Nahen Osten. Diese leiden nebst dem brutalen Konflikt auch unter eine starken Verfolgung durch islamistische Terrorgruppen.»
Und trotzdem würden viele von Ihnen im Land bleiben. Selbst solche, die den Schergen der Terrormiliz bereits einmal in die Hände gefallen waren. «Sie erzählen mir immer wieder von ihrer enorm grossen Liebe zur Heimat und von der Angst vor der Flucht in die Ungewissheit», sagt Aydin. Sie hätten Vertrauen in eine baldige Besserung. «Das ist heldenhaft und für uns nur schwer zu verstehen», fügt Aydin hinzu, «umso wichtiger ist es, sich für diese Menschen vor Ort einzusetzen.»
Aydins Organisation kooperiert mit lokalen Partnern, namentlich dem humanitären Arm der syrisch-orthodoxen Kirche. Zu den Projekten gehören Soforthilfen für intern umplatzierte Familien. Mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Obdach, Medizin und Finanzierung von Notoperationen.
Auch unterstützt die Organisation Familien beim Wiederaufbau der zerbombten Wohnungen, sofern dies noch möglich ist. «Den anderen Familien helfen wir mit Mietwohnungen durch Finanzierung der Monatsmieten», erklärt Aydin. Auch die Jugend liegt «Aramaic Relief» am Herzen.
Zur Zeit sei Schulbeginn, erzählt der junge Mann. Also hätten sie in den letzten 2 Wochen 700 Kinder mit Schulmaterial, Schulbüchern und Schultaschen ausgerüstet. Den Studenten hilft die Organisation bei den Fahrtkosten und mit den Universitätsgebühren, so dass sie weiterhin ihrem Studium nachgehen können. Zudem unterhält «Aramaic Relief» ein Waisenkinder-Projekt.
Hoffen auf Menschen in der Schweiz
Aydins grösster Wunsch ist es, dass man diese Menschen nicht vergisst. Nicht die Bürger Europas, aber auch deren Politiker nicht. «Der Winter steht vor der Tür», führt Aydin aus, «das wird wieder für viele Menschen in Syrien, aber auch im Nordirak, wo wir tätig sind, eine sehr schlimme Zeit.»
Dafür würden sie im Moment neue Projekte lancieren. Projekte, die sich ohne fremde Hilfe nicht realisieren liessen. Severiyos Aydin rechnet auch fest mit den Menschen aus seiner Wahlheimat, der Schweiz.