Worum geht es? Der syrische Machthaber Baschar al-Assad hat zum ersten Mal seit Ausbruch des Bürgerkriegs ein anderes arabisches Land besucht. Assad traf nach elf Jahren am Freitag zu einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Abu Dhabi ein.
Welche Bedeutung hat diese Reise für den Machthaber? Die Reise wird die Situation in Syrien laut SRF-Nahostkorrespondentin Susanne Brunner nicht verändern, aber es werte Assad auf. «Es sind nicht die ersten Kontakte mit arabischen Staatschefs, aber doch ein offizieller Staatsbesuch. Das kommt zu Hause mindestens in den Staatsmedien gut an.» Der Besuch sei ein Anfang, sagt Brunner. Gerade mit der arabischen Welt möchte Assad die Beziehungen normalisieren, weil diese seit 2011 eingefroren sind. Davon hängt auch Hilfe für Syriens darniederliegende Wirtschaft ab.
Wie ist die Lage in Syrien? Syrien ist in einer miserablen Lage. «Über 80 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, rund sechs Millionen Menschen sind Flüchtlinge im eigenen Land», sagt Brunner. In Gebieten ohne Kämpfe komme der Wiederaufbau nur schleppend voran. Syrien ist mit Sanktionen belegt und es gibt Brot-, Strom- und Benzinmangel.
Was bedeutet die Reise für Syrien selbst? Der Besuch Assads in den Emiraten wird an der Situation für das Land nicht sofort etwas verändern. Aber es gebe Hoffnung auf eine Normalisierung der Beziehungen mit arabischen Ländern, wenigstens für diejenigen Personen, die in Syrien nicht gleich die Verhaftung fürchten müssen wegen ihrer regierungskritischen Haltung.
Warum wurde Assad genau jetzt eingeladen? Der Zeitpunkt des Besuchs hat laut der Nahostkorrespondentin mit dem Ukraine-Krieg zu tun. «Er war schon länger geplant, hat aber neue Dringlichkeit erhalten, weil die Welt auf die Ukraine fokussiert ist. Die Welt wird die Not in Syrien wohl vergessen. An Geld für syrische Notleidende fehlt es Hilfswerken bereits. Und die Not wird durch die westlichen Sanktionen gegen Russland nur noch verstärkt werden.»
Wieso ist Russland in Syrien ein wichtiger Player? «Russland hat Assad vor dem Sturz gerettet und kontrolliert den syrischen Luftraum», sagt Brunner. «Wenn Russland für sein Syrien-Engagement das Geld ausgehen sollte, droht der ganzen Region Chaos. Denn ins Machtvakuum wird die schiitische Grossmacht Iran springen, die jetzt schon in Syrien, Libanon und im Irak bewaffnete Gruppierungen unterhält. Dieses Risiko wollen vor allem die sunnitischen Machthaber in der Region nicht eingehen.» Der Westen beschränke sein Engagement auf Sanktionen, und hoffe, Syrien werde über Nacht ein demokratischer Staat nach westlicher Vorstellung. «Diese Haltung führt zur Blockade in der Region und löst auch das riesige Flüchtlingsproblem in Nachbarländern wie Libanon, Jordanien und der Türkei nicht.»
Wie sind die Reaktionen aus den arabischen Staaten? Ganz neu seien die Bemühungen um eine Normalisierung mit Syrien im arabischen Raum nicht, so Brunner. Bereits Jordanien und Libanon hätten erfolglos Schritte in diese Richtung unternommen und die USA gebeten, die Sanktionen für Syrien zu lockern. «Dass die Emirate die Initiative ergreifen und Präsident Assad einladen, wird in den meisten Staatsmedien der Region vorsichtig positiv kommentiert.»
Es herrsche noch keine Einigkeit, ob Syrien wieder in den Kreis der Arabischen Liga aufgenommen werden soll. «Aber Realpolitik wird diesen Schritt womöglich beschleunigen. Gerade die sunnitischen Staaten in der Region befürchten, dass der Einfluss der schiitischen Grossmacht Iran immer grösser wird.»