Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) diskutieren an ihrer Frühjahrstagung vor allem über den Krieg in der Ukraine und seine Folgen für die Weltwirtschaft: Er führt zu massiv steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen. Damit kommt auch ein Schuldenerlass für die ärmsten Länder wieder aufs Tapet. Diese seien allein schon wegen der zwei Jahre Pandemie in grossen Schwierigkeiten, sagt Dominik Gross von Alliance Sud.
SRF News: Was würde ein Schuldenerlass den ärmsten Ländern der Welt bringen?
Dominik Gross: Für viele hoch verschuldete Länder im globalen Süden wäre ein Schuldenerlass eine grosse Erleichterung. Sie hätten in diesem Fall viel mehr Mittel zur Verfügung, um die Coronakrise zu bekämpfen, ins Bildungswesen zu investieren, eine nachhaltigere Wirtschaft aufzubauen oder schon nur für günstigere Lebensmittel zu sorgen.
Weltbank-Chef David Malpass hat einen solchen Schuldenerlass gefordert. Kommt dieser jetzt tatsächlich zustande?
Das ist schwierig zu sagen. Schon vor zwei Jahren hat man – nach der ersten Pandemiewelle – über einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder diskutiert und beschlossen, die Schulden vorerst aufzuschieben. Die ärmsten Länder mussten also keine Zinszahlungen leisten, respektive erhielten von IWF, Weltbank und den G20 Unterstützung, um die Schuldendienste für 2020 und 2021 zu bedienen.
Jetzt ist man wieder in derselben Situation wie vor zwei Jahren.
Inzwischen sind diese Programme ausgelaufen und man ist wieder in derselben Situation wie vor zwei Jahren – obschon damals angekündigt worden war, nachhaltig etwas in der Schuldenfrage ändern zu wollen.
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Wie würden die ärmsten Länder konkret profitieren?
Ein Beispiel: Das westafrikanische Land Ghana braucht etwa 30 Prozent seines Staatshaushalts für die Finanzierung der Schulden – in der Schweiz beläuft sich dieser Anteil auf etwa zwei Prozent. Ohne den Schuldendienst stünde Ghana also wesentlich mehr Geld für Anderes zur Verfügung.
Wie müsste ein solcher Schuldenerlass aussehen?
Im besten Fall müsste er mit strukturellen Veränderungen im globalen Schuldenwesen einhergehen. So müsste man auch dafür sorgen, dass die betroffenen Länder mehr Steuereinnahmen generieren – etwa von internationalen Unternehmen, die ihre dort erwirtschafteten Gewinne in steuergünstige Länder wie die Schweiz transferieren.
Ein Schuldenerlass allein löst nicht alle Probleme.
Denn: Wo Steuergeld fehlt, gibt es tendenziell mehr Schulden, weil man die Staatsausgaben ja irgendwie finanzieren muss. Insofern löst ein Schuldenerlass allein nicht alle Probleme. Er könnte aktuell aber mithelfen, Hungerkrisen zu vermeiden, indem die armen Länder Mittel zur Verfügung hätten, um Lebensmittel einzukaufen und diese billig abzugeben.
Was sind die Folgen für die ärmsten Länder der Welt angesichts steigender Energie- und Lebensmittelpreise, wenn es zu keinem Schuldenerlass kommt?
Die Verteuerung trifft unabgefedert auf die Bevölkerung. Denn der Staat hat kaum Möglichkeiten, um auf die Preissteigerungen zu reagieren. Die Lage ist jetzt schon dramatisch – und sie war es im Grunde wegen der zwei Jahre Pandemie schon vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine.
Wie können die ärmsten Länder aus ihrer misslichen Situation herauskommen, falls ein Schuldenerlass nicht zustande kommt?
Sie können selber nicht viel tun – ausser sparen. Deshalb sind sie darauf angewiesen, dass die Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Nur so wird sich die Lage der Menschen in den ärmsten Ländern nicht weiter verschärfen.
Das Gespräch führte Zoe Geissler.