Der Beziehungsstatus zwischen den USA und Taiwan ist kompliziert: Die USA unterhalten im Zuge der «Ein-China-Politik» diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China, aber, zumindest offiziell, nicht zu Taiwan – die Insel, die China als abtrünnige Provinz betrachtet.
Wenn die taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen am Mittwoch in Kalifornien den Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy getroffen hat, so ist sie offiziell nur «auf der Durchreise». Doch die USA und Taiwan pflegen intensive inoffizielle Beziehungen. Washington unterhält in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh mit dem «American Institute in Taiwan» de facto eine Botschaft.
Die USA rüsten Taiwan mit Defensivwaffen aus. Washington liess aber über Jahrzehnte offen, ob US-Streitkräfte eingreifen würde, sollte China Taiwan angreifen. Das scheint nicht mehr völlig unmöglich, auch weil China mit militärischen Drohgebärden, etwa mit Manövern rund um Taiwan, den Ton verschärft hat.
Ende der «strategischen Ambiguität»?
Es sei an der Zeit, diese «strategische Ambiguität» – Mehrdeutigkeit – aufzugeben, sagt David Sacks, Taiwan-Experte bei der Denkfabrik «Council on Foreign Relations»: «Unter Xi Jingping ist China viel selbstbewusster geworden – und auch risikofreudiger. Die strategische Ambiguität reicht nicht mehr, um China abzuschrecken. Ein klares Signal, dass die USA Taiwan verteidigen würden, würde Xi Jingping viel eher abschrecken.»
Ein klares Signal, dass die USA Taiwan verteidigen würden, würde Xi Jingping viel eher abschrecken.
Und tatsächlich scheinen sich die USA in diese Richtung zu bewegen: Joe Biden bemerkte schon viermal, die USA würden Taiwan verteidigen. Trotzdem bleibt es etwas unklar, ob das nun die offizielle Position der USA ist. Doch auch die beiden Parteien, Republikaner und Demokraten, scheinen sich für einmal einig zu sein und erklären, es gelte China in die Schranken zu weisen.
Mehrheit in Taiwan will Status quo
Die strategische Ambiguität sollte auch Taiwan davon abhalten, formell die Unabhängigkeit von China zu erklären und damit Peking zu provozieren. Doch diese Gefahr sei klein, sagt Sacks. Eine Mehrheit der Taiwanesinnen und Taiwanesen wollten am Status Quo festhalten.
Es gebe gute Argumente dafür, Taiwan nicht mit US-Streitkräften zu verteidigen, so Sacks. Denn Taiwan stelle für die USA keine sicherheitspolitische Priorität erster Güte dar. Und die Gefahr eines Krieges zwischen den USA und China sei zu hoch – ein Krieg, der womöglich mit Nuklearwaffen ausgetragen würde.
Begehrte Computerchips
Doch Taiwan hat sich zur Vorzeigedemokratie entwickelt und hat enge wirtschaftliche Beziehungen zu den USA. Taiwan ist weltweit führend bei der Herstellung von Computerchips. Eine chinesische Blockade oder eine Invasion würde im Meer zwischen Taiwan und China sehr wichtige globale Lieferketten unterbrechen.
Die USA könnten es sich schlicht nicht leisten, Taiwan nicht zu verteidigen, sagt Sacks. Sollte eine chinesische Invasion gelingen, so würde dies das Vertrauen in die USA zutiefst erschüttern, argumentiert Sacks: «Länder wie Japan, die Philippinen oder Südkorea könnten beginnen, eigene Nuklearwaffen zu entwickeln – oder sie könnten sich mit China arrangieren. In beiden Fällen würden die USA im Indopazifik an Einfluss verlieren.»