In Österreich gilt ab heute für alle ein Teil-Lockdown – für Ungeimpfte wie für Geimpfte. Für mindestens zehn Tage darf man sich nur noch in Ausnahmefällen ausser Haus bewegen. Mit ihrem viel gescholtenen Corona-Management verspiele die Regierung ihre Glaubwürdigkeit nicht nur bei den Massnahmengegnern, stellt SRF-Korrespondent Peter Balzli fest.
SRF News: Am Wochenende protestierten Zehntausende Menschen in Wien gegen den Teil-Lockdown und die angekündigte Impfpflicht. Wie gross ist der Ärger in Österreich tatsächlich?
Peter Balzli: Er ist gross. Die Massnahmengegner ärgern sich über die verordneten Massnahmen und jene, welche für die Massnahmen sind, ärgern sich darüber, dass die Regierung sie zu spät verordnet hat. Ausserdem geht für viele die angekündigte Impfpflicht zu weit. Alle Kritiker vereint die Meinung, dass die Regierung versagt habe und man den Lockdown hätte verhindern können.
Bei den Demonstrierenden vom Wochenende handelte es sich aber mehrheitlich um Massnahmengegner, darunter waren auch Neonazis. Wie geht die Regierung dieses Problem an?
Die Polizei ging an der Demo am Samstag sehr früh und entschlossen gegen diese Leute vor – doch es ist kaum anzunehmen, dass man so das Radikalisierungsproblem lösen kann. Im Gegenteil: Diese Leute könnten in ihrem Glauben bestätigt werden, es gäbe eine Art Diktatur, und ihr Widerstand dagegen wäre legitim.
Wie tief ist denn der Graben zwischen Geimpften und Ungeimpften in Österreich?
Er ist sehr tief. Für viele Geimpfte sind schlicht die Ungeimpften schuld an der Misere. Und für die Impfgegner sind die Geimpften obrigkeitsgläubige Schafe.
Für viele Geimpfte sind die Ungeimpften schuld an der Misere, für die Impfgegner sind die Geimpften obrigkeitsgläubige Schafe.
Allerdings gibt es auch etwas Verbindendes zwischen den beiden Gruppen: der Ärger auf die Regierung. Und wenn so viele Menschen mit der Regierung unzufrieden sind, dann hat diese ein Problem – insbesondere während einer Pandemie.
Der Teil-Lockdown gilt mindestens zehn Tage und kann um nochmals gleich viele Tage verlängert werden. Wann würde dies eintreten?
Die entscheidende Grösse ist die Anzahl Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Allerdings wurde der sogenannte Stufenplan schon wenige Tage nach seiner Präsentation letzte Woche wieder über den Haufen geworfen – zu schnell schossen die Infektionszahlen in die Höhe. Jetzt heisst es, man werde die Lage nach zehn Tagen evaluieren und dann entscheiden, ob der Lockdown verlängert werde. Doch nach welchen Kriterien entschieden wird, ist bislang unklar.
Am Freitag verordnete Kanzler Schallenberg plötzlich das pure Gegenteil dessen, was er die Woche über gesagt hatte.
Die Massnahmen stossen auf wenig Verständnis – ist das Vertrauen in die österreichische Regierung auf einem Tiefpunkt angelangt?
Das kann man so sagen. Viele sind enttäuscht von der Regierung und ihrem Pandemie-Management. Erstens trug die Regierung ihre internen Streitigkeiten öffentlich aus – Minister haben sich gegenseitig heruntergeputzt. Ausserdem betonten Bundeskanzler Alexander Schallenberg und seine Parteileute die ganze letzte Woche, es werde keinen Lockdown für Geimpfte geben, doch am Freitag verordnete er plötzlich das pure Gegenteil. Das nagt natürlich an der Glaubwürdigkeit von Politik und Regierung und wird für sie in den nächsten Wochen zu einer schweren Hypothek werden.
Das Gespräch führte Claudia Weber.