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Tod eines 16-Jährigen Gewalttat treibt Frankreichs Rechtsextreme auf die Strasse

Nachdem ein Jugendlicher an einem Dorffest erstochen worden ist, mobilisieren sich rechtsextreme Gruppierungen in verschiedenen Städten.

«Gerechtigkeit für Thomas», aber auch «Islam weg aus Europa» und «Frankreich den Franzosen» sind nur ein paar der Slogans, welche rechtsextreme Gruppierungen bei verschiedenen Versammlungen und Märschen seit einer Woche skandieren.

Eine Versammlung von rund 200 Sympathisanten rechtsextremer Gruppierungen am Freitagabend in Paris war auf Bitte des Innenministers durch die Präfektur verboten worden; das Gericht hat das Verbot aber in letzter Minute aufgehoben, weil die Versammlung zu Ehren des getöteten Jugendlichen stattfinde und ein Verbot nicht verhältnismässig sei. Das Treffen vor dem Pantheon dauerte gut eine Stunde und verlief ohne Zwischenfälle.

Instrumentalisierung einer Tragödie?

Zuvor kam es bei einem Marsch in Romans-sur-Isère am vergangenen Samstag zu Gewalt und Sachbeschädigungen. Sechs junge Männer wurden zu sechs bis zehn Monaten Haft verurteilt. Und in Lyon zogen ungefähr 100 rechtsextreme Personen Anfang Woche trotz eines Verbots durch die Stadt. Versammlungen gab es auch in anderen Städten Frankreichs.

Die rechtsextreme Szene sei aktuell so sichtbar in Frankreich, weil vor zwei Wochen ein 16-Jähriger in der Drôme an einem Dorffest in Crépol von anderen Jugendlichen erstochen wurde. Diese Tat werde von den gewaltbereiten rechtsextremen Gruppierungen benutzt, um Hass gegen Ausländer zu schüren, sagte Innenminister Gérald Darmanin gegenüber von Radio France Inter.

In Frankreich gibt es aktuell verschiedene kleine Gruppierungen, die nur wenig Mitglieder haben.
Autor: Jean-Yves Camus Extremismus-Spezialist

Die Tat sei eine Tragödie und er hoffe, dass die Täter hart verurteilt würden. «Wir dürfen aber nicht zulassen, dass sich jemand anderes im Namen des Staates erhebt, um Gerechtigkeit zu üben. Und heute glaube ich, dass es bei den Ultrarechten eine Mobilisierung gibt, die uns in einen Bürgerkrieg stürzen will.»

Splittergruppen anstelle einer grossen Organisation

Die Anzahl der gewaltbereiten rechtsextremen Personen in Frankreich bleibe konstant bei ungefähr 3000 Personen, aber deren Organisation habe sich verändert. Sie seien heute in kleinen Splittergruppen unterwegs, und neu auch in kleineren Städten präsent, sagt der Extremismus-Spezialist Jean-Yves Camus: «In Frankreich gibt es aktuell verschiedene kleine Gruppierungen, die nur wenig Mitglieder haben und sich oft an neutralen Orten wie Cafés oder Restaurants treffen.»

Mann hält Pyro in die Luft
Legende: Ein Demonstrant in Paris. Offiziell wurde zu Ehren eines verstorbenen Jugendlichen demonstriert. EPA/TERESA SUAREZ

Diese Gruppierungen seien schwieriger zu beobachten als früher, als es hauptsächlich eine grosse Gruppierung gegeben habe, die «Génération Identitaire», die über ein eigenes Lokal, eine Zeitschrift und eine Internetseite verfügte.

Die «Génération Identitaire» wurde in Frankreich vor zwei Jahren verboten. Weitere Gruppierungen könnten demnächst ebenfalls aufgelöst werden. Dies kündigte der Innenminister Gérald Darmanin an. Auch verschiedene Versammlungen wurden in den letzten Tagen verboten – mit mässigem Erfolg. Zwischen Hetze gegen Ausländer und Meinungsfreiheit sucht Frankreich weiter nach dem richtigen Weg im Umgang mit den gewaltbereiten rechtsextremen Gruppierungen.

Tagesschau, 02.12.23, 19:30 Uhr

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