Die französische Regierung hat die rechtsextreme «Génération identitaire» aufgelöst. Die Bewegung schüre Hass, Gewalt und Rassismus in der Gesellschaft, heisst es in dem von Innenminister Gérald Darmanin veröffentlichten Dekret, das das Verbot der Organisation verfügt.
Deren Mitglieder hätten in der Vergangenheit immer wieder zu gewaltsamen Aktionen aufgerufen. Die «Génération identitaire» sei militärisch aufgebaut und funktioniere wie eine private Miliz.
Damit wird die Identitäre Bewegung, aus der auch die Gruppierungen in Deutschland und Österreich hervorgingen, in ihrem Ursprungsland verboten. Grenzübergreifend vertreten sie die Weltsicht, dass Europa der Untergang droht. Sie selbst sehen sich als «Bewahrer» der weissen Rasse, die vor einer schleichenden «Umvolkung» geschützt werden soll.
Europa vor «Eindringlingen» verteidigen
«Unter der Klammer ‹Defend Europe› wollen sie Europa verteidigen und wähnen sich im Krieg», sagt die österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl, die zur neuen Rechten forscht und ein Buch über die Identitären geschrieben hat.
Mit der harmlos anmutenden Namensgebung will die Bewegung nach aussen hin nicht mit dem braunen Sumpf assoziiert werden. Ihre Vordenker versuchen, das identitäre Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Und das durchaus erfolgreich, so die Forscherin: Die Bewegung habe ihre rassistische und mit antisemitischen Chiffren angereicherte Idee des «grossen Austauschs» in die allgemeine politische Debatte eingebracht.
Der Verschwörungsglaube beschreibt einen systematisch vorangetriebenen Bevölkerungsaustausch der europäischen Bevölkerung durch Einwanderer aus Afrika und muslimischen Ländern.
Inspiration für Rechtsterroristen
Das Verbot der «Génération identitaire» in Frankreich hält Strobl für einen schweren Schlag für die ganze rechtsextreme Szene Europas, in der die Identitären als eine Art ideologische Avantgarde auftreten.
Der norwegische Rechtsterrorist Anders Breivik liess sich ebenso vom Netzwerk inspirieren wie der Attentäter im neuseeländischen Christchurch, der vor zwei Jahren 50 Menschen in zwei Moscheen tötete. Er betitelte sein Manifest mit «The Great Replacement» – der grosse Austausch.
Auch andernorts unter Druck
Mit dem Verbot in Frankreich wird die Bewegung nicht einfach verschwinden. Strobl rechnet damit, dass sie sich umbenennen wird, so wie es etwa in Österreich passierte. Dort geriet die Bewegung ins Fadenkreuz der Justiz, als eine Spende von 1500 Euro durch den Christchurch-Attentäter publik wurde.
In Österreich sind die Identitären bis heute nicht verboten. «Sie treten aber seit einiger Zeit unter einem anderen Namen auf, um einem Verbot zuvorzukommen», erklärt die Expertin. «In Frankreich ist ähnliches anzunehmen.»
Einfluss in rechter Szene bleibt
Wenn die im rechtsextremen Netzwerk etablierte Marke der «Identitären» verschwinde, könne das zwar durchaus einen Effekt haben, so Strobl weiter. «Das Personal, die Strukturen und auch die Immobilien bleiben aber.»
Ihren Zenit erreichten die Identitären in ihren Kernländern zwar schon vor fünf, sechs Jahren. Seither wurden führende Figuren in sozialen Netzwerken gesperrt, vielerorts wurden Justiz und Verfassungsschutz aktiv. Ihr Einfluss in der rechtsextremen Szene sei aber ungebrochen, schliesst Strobl.