Widersprüchliche Meldungen zum Tod eines chinesischen Arztes sorgten in den letzten Stunden weltweit für Aufsehen. Der Arzt Li Wenliang, der die Behörden in China als einer der ersten vor dem neuartigen Virus gewarnt hatte, soll nun selbst am Corona-Virus gestorben sein. Doch auf die Todesmeldung folgte eine weitere Meldung aus China, wonach der Mann gar nicht gestorben sei, sondern man versuche, ihn wiederzubeleben. Was denn nun? China-Korrespondent Martin Aldrovandi über die verwirrenden Informationen und eine chinesische Regierung, die wegen des Virus immer stärker in die Kritik gerät.
SRF News: Ist Li Wenliang nun tatsächlich tot?
Martin Aldrovandi: Ja, Der Tod Wenliangs wurde vom Spital bestätigt und auch die offiziellen Medien haben das so gemeldet. Kurz vor drei Uhr morgens chinesischer Zeit ist er gestorben.
Es gab widersprüchliche Angaben zum Tode des Arztes – wieso?
In den sozialen Medien gestern Abend gab es Beileidsbekundungen, doch plötzlich korrigierten die offiziellen Medien ihre Meldungen und schrieben, dass sich sich Li Wenliang in einem kritischen Zustand befinde und dass versucht werde, ihn wiederzubeleben.
Die Regierung hat Informationen an die Medien in diesem Fall geändert. Was könnte der Grund dafür sein?
Die Anteilnahme der Chinesen, vor allem in den sozialen Medien, war immens. Wenliang wird in Beiträgen und Kommentaren auch als Held bezeichnet. Zusätzlich herrscht eine grosse Wut auf die Behörden und Regierung, zum Teil gab es auch Kritik am System und der fehlenden Meinungsfreiheit.
Li Wenliang ist nicht einfach ein weiterer Todesfall in dieser Virus-Krise, sondern er war ein Whistleblower. Er wollte bereits früh auf die Gefahren des Virus aufmerksam machen, wurde aber von den Behörden zum Schweigen gebracht. Die Leute hier sind richtig sauer und es ist gut möglich, dass die Behörden mit der Änderung der Informationen etwas Druck herausnehmen wollten.
Steht die Führung wegen des Virus unter noch grösserem Druck?
Viele Lokalbehörden wurden schon bestraft. Die Medien versuchen, dass die Kritik vor allem in Richtung Lokal- und Provinzregierung geht.
Es zeigt sich eine gewisse Verunsicherung der Regierung – wie sie damit umgehen soll, auch mit dem Informationsfluss.
Zudem gibt es auch heftige Kritik an der Zentralregierung, an der Führung in Peking. Nicht in den offiziellen Medien, aber eben in den sozialen Medien, teils versteckt oder auch in kleinen Chat-Gruppen.
Ist weiter mit solch widersprüchlichen Meldungen und mit Korrekturen in Bezug auf das Corona-Virus zu rechnen?
Ja, es zeigt sich eine gewisse Verunsicherung von Seiten der Behörden und der Regierung – wie sie damit umgehen sollen, auch mit dem Informationsfluss. Was will man zensieren, was nicht? Wie weit will man überhaupt Kritik im Netz zulassen? Ab wann soll sie gelöscht werden?
SRF 4 News, 7.2.2020, 07:20 Uhr