Die Separatistenhochburg Donezk wird von den schwersten Kämpfen seit Monaten heimgesucht. Bei heftigen Gefechten um den Flughafen in der ostukrainischen Stadt starben mehrere Menschen. Auch Wohnquartiere unweit des Flughafens wurden von Granaten getroffen. Am Abend liessen die Kämpfe indes nach. Nach heftigen Gefechten in den vergangenen Tagen war es vergleichsweise ruhig um die stark zerstörte Anlage.
Angst und Nervosität
«In der vergangenen Nacht und am Morgen war Artilleriefeuer in der Stadt zu hören», sagte SRF-Korrespondent Christof Franzen, der sich vor Ort befindet. «In den Wohngebieten in der Nähe des Flughafens harren vor allem ältere Menschen aus, aber auch ärmere Familien mit Kindern. Wir haben diese Familien sehr verängstigt, nervös und unsicher erlebt.»
Dies sei nicht verwunderlich. Seit langer Zeit lebten diese in ihren Kellern oder versteckten sich in ihren Wohnungen. «Dort hören sie Artilleriegeschosse und wissen nie, ob nicht doch eine Granate auf ihr Haus fallen wird.»
Es sei im Einzelfall schwierig zu sagen, wer für den Beschuss der Wohngebiete verantwortlich sei. Die beiden Parteien beschuldigten sich gegenseitig. «Tatsache ist, dass die prorussischen Separatisten aus der Stadt hinausschiessen, zum Teil auch neben Wohnhäusern. Die ukrainische Armee erwidert dieses Feuer. Es ist ein Artilleriegefecht über den Köpfen der Menschen hinweg. Immer wieder kommt es dabei zu Fehlschüssen.»
Offensive gestartet
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko verteidigte unterdessen die neue Militäroffensive. Die Armee habe im Krisengebiet Donbass auf Angriffe der moskautreuen Aufständischen reagieren müssen, sagte Poroschenko.
Kiew warf Russland vor, unterdessen etwa 700 Soldaten zur Unterstützung der Separatisten über die Grenze geschickt zu haben. Die Streitkräfte seien in zwei Gruppen in die Ukraine gekommen, sagte ein Armeesprecher. Am kommenden Dienstag sollen zusätzliche 50'000 Ukrainer im Rahmen einer Teilmobilmachung bewaffnet werden.
Das ukrainische Militär hatte am Samstag trotz der Anfang Dezember mit den Rebellen vereinbarten Waffenruhe eine massive Gegenoffensive gestartet – unter anderem mit Artillerie und Panzern. Am Sonntag gab die Armee an, sie habe den Grossteil des strategisch wichtigen Flughafens gesichert.
Bei diesen Kämpfen seien innerhalb von 24 Stunden mehr als 23 Menschen getötet und mindestens 150 verletzt worden, hiess es. Die Behörden in Donezk sprachen von den heftigsten Gefechten in der Unruheregion seit Wochen. Die Aufständischen im benachbarten Lugansk warfen der Regierung vor, die Stadt noch weiter von Versorgungswegen abgeschnitten zu haben. So sei der Bus- und Lkw-Verkehr in der Region eingestellt worden.
Bekenntnis zu Abkommen gefordert
Beim EU-Aussenministertreffen in Brüssel forderte der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier ein klares Bekenntnis zur Umsetzung des Minsker Abkommens. Auch sei unklar, ob das schon in der vergangenen Woche geplante Gipfeltreffen in der kasachischen Hauptstadt Astana zustande komme.
Einer der Streitpunkte bei der Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens von Minsk ist die Festlegung einer Demarkationslinie zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischem Militär. Über eine Lockerung der Sanktionen gegen Moskau nach der Verschärfung der Lage in der Ostukraine rede derzeit niemand, sagte Steinmeier.
Steinmeier sei sehr frustriert gewesen und pessimistisch in seinen Einschätzungen, sagte SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck in Brüssel. Alle Konfliktparteien würden ständig von der Einhaltung des Minsker Abkommens sprechen, doch tastsächlich passiere wenig bis überhaupt nichts. «Deshalb sei heute nicht der richtige Zeitpunkt gewesen um über Grundsätzliches nachzudenken.»