Chinas Aussenminister Wang Yi ist derzeit auf Europareise. Er wirbt für sein Land. Doch diese Reise wird, neben der Coronakrise, auch überschattet von den Ereignissen in Hongkong: Dort wurden am Donnerstag zwei führende oppositionelle Abgeordnete sowie 14 Aktivistinnen und Aktivisten festgenommen. Sie hatten das neue Sicherheitsgesetz kritisiert.
Wenn sich Menschen in Hongkong nicht frei äussern können, sorgt das in Europa für Kritik. Doch gerade das sei einer der Gründe für die Goodwill-Tour durch Europa, sagt China-Korrespondent Martin Aldrovandi. «Laut Yi geht es bei seiner Europareise nicht nur um die Bekämpfung der Viruskrise, sondern auch darum, die Beziehungen zwischen Europa und China zu stärken.»
Auftakt in Italien
Seit die USA und China auf Konfrontationskurs sind, versuche China, sich stärker auf Europa zu konzentrieren. «Ein Zufall ist diese Reise sicher nicht», sagt der Korrespondent. Sie begann am Dienstag in Italien. Einem Land, dessen vorherige Regierung vergleichsweise China-freundlich war. «Aber auch dort ist man zunehmend kritischer geworden gegenüber China.» Und auch im Rest von Europa habe die Kritik an China deutlich zugenommen.
Auf der Liste der Länder, die Yi besucht, sind die Niederlande, Frankreich, Deutschland und Norwegen. «Deutschland ist besonders wichtig, das darf nicht fehlen», sagt Aldrovandi. Denn Deutschland habe den chinesischen Telekomkonzern Huawei noch nicht vom 5G-Netz ausgeschlossen – trotz Druck aus den USA. Aber auch der Besuch in Norwegen sei bedeutsam.
Annäherung an Norwegen
«Einerseits kommt das Land in den UNO-Sicherheitsrat, und andererseits hatten China und Norwegen eine Zeit lang ganz schlechte Beziehungen.» 2010 erhielt Liu Xiaobo in Oslo den Friedensnobelpreis, zum Missfallen Chinas. «Inzwischen haben sich die beiden Länder aber wieder gefunden, und sie verhandeln seit einiger Zeit sogar an einem Freihandelsabkommen.»
Was erhofft sich die Führung in Peking von dem Europabesuch? Die chinesische Regierung wolle verhindern, dass die europäischen Staaten einen ähnlichen Kurs einschlagen wie die US-Regierung und auf Konfrontation zu China gehen. «Das heisst, man möchte bessere Beziehungen», so Aldrovandi.
«Beobachter sprechen von Schadensbegrenzung, weil Europa China immer kritischer sieht – wegen Hongkong, aber auch wegen der Unterdrückung der Uiguren.» Doch was kann da der Besuch des Aussenministers ausrichten?
Reise mit Symbolkraft
«Seine Reise ist sicher ein Zeichen und hat grosse Symbolik.» Ob sich die europäischen Länder davon beeindrucken lassen, ist allerdings offen. In Rom kam es zu Protesten gegen Yis Besuch. «Und in Norwegen gab es Fragen wegen eines möglichen Friedensnobelpreises für Hongkonger Aktivisten», weiss der China-Korrespondent. Diese habe Yi natürlich abgetan.
Aber er konnte sich zur Coronakrise äussern und sagen, dass es gar nicht sicher sei, dass das Virus aus China stamme. «Er konnte so also auch ein bisschen von diesem Ursprung in China ablenken», erklärt Aldrovandi.