Zum Inhalt springen

Tradition im Trend Reich werden mit Traditioneller Chinesischer Medizin

Von Heilkräutern bis Hirschgenitalien – alte Behandlungsmethoden erleben einen Aufschwung in China.

Tausende neue Millionäre habe es im vergangenen Jahr im zentralchinesischen Städtchen Bozhou gegeben, behauptet Kräuterhändler Yang. In Bozhou ist der grösste Markt der Welt für traditionelle chinesische Medizin – kurz TCM. Von Heilkräutern bis hin zu Hirschgenitalien findet man hier so ziemlich alles, was in der TCM eingesetzt wird.

Was ist TCM?

Box aufklappen Box zuklappen

Die Bezeichnung Traditionelle Chinesische Medizin TCM hat sich in der westlichen Welt als Zusammenfassung verschiedener, bis zu 2500 Jahre alter, chinesischer Heilmethoden etabliert. Die Idee hinter der Traditionellen Chinesischen Medizin ist die ganzheitliche Betrachtung eines erkrankten Menschen.

Im Vordergrund steht die Lebenskraft (chinesisch: das Qi), das zur Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit ungehindert durch die Energiebahnen des Körpers fliessen muss und alle Organe erreicht. Ist das Qi in ein Ungleichgewicht geraten, gibt es verschiedene Behandlungsmethoden, um die Harmonie wiederherzustellen.

Seit Covid habe die Nachfrage massiv zugenommen, sagt Yang. «Der Preis für Päonien-Wurzeln ist von 0.5 RMB vor ein paar Jahren auf 32 RMB gestiegen. Jetzt kannst du selbst rechnen,» lacht er. Acht Renminbi entsprechen rund einem Schweizer Franken. In seinem Geschäft stapeln sich grosse, weisse Säcke. Sie sind gefüllt mit getrockneten Wurzeln, Pilzen und Stauden.

Traditionelle Chinesische Medizin ist in China in Mode

Pflanze um Pflanze geht er durch und nennt den kommagenauen Preissprung. Yang wirkt dabei ein wenig wie ein Wall-Street-Banker, den es in die chinesische Provinz verschlagen hat. Zwischendurch erklärt er auch, wofür die Gewächse gut sein sollen: «Das steigert die Männlichkeit, wie viele dieser Pflanzen.»

Regierung fördert TCM

Der Begriff «traditionell» wurde bei der chinesischen Medizin im Übrigen erst Mitte des letzten Jahrhunderts eingeführt, im internationalen Kontext. Damals förderte Staatsführer Mao die chinesische Medizin im Inland und nutzte diese gleichzeitig im Ausland als Propaganda-Vehikel.

Auch heute wieder fördert die Regierung die alten chinesischen Behandlungsmethoden. Im Fünf-Jahres-Plan von 2022 ist der Bau von hunderten neuen TCM-Spitälern und tausenden Kliniken vorgesehen. 

Fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung

Furukawa Yuzo ist Arzt in einer TCM-Klinik im Zentrum Schanghais. Auch er nimmt die steigende Nachfrage wahr. Er sehe insbesondere immer mehr junge Menschen mit emotionalen Problemen, Depressionen und Stimmungsschwankungen. «Das hat in den letzten Jahren zugenommen.»

Ein weiterer wichtiger Faktor sei die TCM-Forschung, welche China vorantreibt. Systematische Forschung, ähnlich wie in der westlichen Medizin, soll dazu führen, dass die beiden medizinischen Ansätze öfter ergänzend angewendet werden in China.

Weisse Säcke mit verschieden farbigen Inhaltsstoffen
Legende: TCM-Rohstoffe auf dem Markt in Bouzhou. SRF/Samuel Emch

Das heisst, die Entwicklung ist nicht nur eine Reaktion auf die wachsende Nachfrage, sondern auch Teil einer breiten Strategie zur Förderung von TCM als fester Bestandteil des Gesundheitssystems.

TCM wird zur Soft-Power

Und die Verbreitung von TCM geht inzwischen über Kliniken und das Gesundheitswesen hinaus. So eröffneten in Schanghai jüngst TCM-Gelaterias. Glaces mit den Geschmacksrichtungen Ginseng, schwarzem Reis oder Jasmin-Tee finden reissenden Absatz, sagt Gründerin Shorty Wu. «Die Leute kommen rein und sagen: ‹Ah, das hat mir meine Grossmutter immer gegeben›.»

Ein Blick in ein Glace-Ladenlokal
Legende: Die TCM-Gelaterias in Shanghai sind beliebt. SRF/Samuel Emch

Allerdings hat die Glace keinen Anspruch auf heilende Wirkung, sie nutzt lediglich geschickt die hohe Aufmerksamkeit für TCM aus. Mit dem Erfolg kommen auch grosse Pläne. Wu will mit ihrem Eis ins Ausland expandieren.

Vorerst verbreitet sich aber vor allem die traditionelle chinesische Medizin selbst, insbesondere in asiatischen Ländern und wird so auch zu einer Art Soft-Power für China.

Rendez-vous, 21.02.2025, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel