Tausende neue Millionäre habe es im vergangenen Jahr im zentralchinesischen Städtchen Bozhou gegeben, behauptet Kräuterhändler Yang. In Bozhou ist der grösste Markt der Welt für traditionelle chinesische Medizin – kurz TCM. Von Heilkräutern bis hin zu Hirschgenitalien findet man hier so ziemlich alles, was in der TCM eingesetzt wird.
Seit Covid habe die Nachfrage massiv zugenommen, sagt Yang. «Der Preis für Päonien-Wurzeln ist von 0.5 RMB vor ein paar Jahren auf 32 RMB gestiegen. Jetzt kannst du selbst rechnen,» lacht er. Acht Renminbi entsprechen rund einem Schweizer Franken. In seinem Geschäft stapeln sich grosse, weisse Säcke. Sie sind gefüllt mit getrockneten Wurzeln, Pilzen und Stauden.
Traditionelle Chinesische Medizin ist in China in Mode
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Bild 1 von 8. Eine Apotheke in einer TCM-Klinik in China. In den Schubladen befindet sich abgepackte Pulver gegen Gebrechen. Bildquelle: SRF/.
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Bild 2 von 8. In der Stadt Bozhou ist der grösste Markt für die Rohstoffe, die in der TCM eingesetzt werden. Bildquelle: SRF/Samuel Emch.
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Bild 3 von 8. Für Händler Yang sind Heilpflanzen ein Geschäft wie für andere Aktien oder Immobilien. Bildquelle: SRF/Samuel Emch.
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Bild 4 von 8. Rund 20'000 Händler gibt es im grössten TCM-Markt der Welt in Bozhou. Viele von ihnen profitieren von der gestiegenen Nachfrage. Bildquelle: SRF/Samuel Emch.
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Bild 5 von 8. Getrocknete Genitalien von Hirschen sollen die Männlichkeit steigern. Bildquelle: SRF/Samuel Emch.
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Bild 6 von 8. Ginseng und Hirschgenitalien in Schnaps eingelegt: Auch das Getränk soll gut sein für die Männlichkeit. Bildquelle: SRF/Samuel Emch.
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Bild 7 von 8. Das Angebot trendet: Glace mit traditionellen Heilkräutern. Bildquelle: SRF/Samuel Emch.
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Bild 8 von 8. Gastronomin Wu hat vollen Erfolg mit ihrer TCM-Glace in Shanghai und will ins Ausland expandieren. Bildquelle: SRF/Samuel Emch.
Pflanze um Pflanze geht er durch und nennt den kommagenauen Preissprung. Yang wirkt dabei ein wenig wie ein Wall-Street-Banker, den es in die chinesische Provinz verschlagen hat. Zwischendurch erklärt er auch, wofür die Gewächse gut sein sollen: «Das steigert die Männlichkeit, wie viele dieser Pflanzen.»
Regierung fördert TCM
Der Begriff «traditionell» wurde bei der chinesischen Medizin im Übrigen erst Mitte des letzten Jahrhunderts eingeführt, im internationalen Kontext. Damals förderte Staatsführer Mao die chinesische Medizin im Inland und nutzte diese gleichzeitig im Ausland als Propaganda-Vehikel.
Auch heute wieder fördert die Regierung die alten chinesischen Behandlungsmethoden. Im Fünf-Jahres-Plan von 2022 ist der Bau von hunderten neuen TCM-Spitälern und tausenden Kliniken vorgesehen.
Fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung
Furukawa Yuzo ist Arzt in einer TCM-Klinik im Zentrum Schanghais. Auch er nimmt die steigende Nachfrage wahr. Er sehe insbesondere immer mehr junge Menschen mit emotionalen Problemen, Depressionen und Stimmungsschwankungen. «Das hat in den letzten Jahren zugenommen.»
Ein weiterer wichtiger Faktor sei die TCM-Forschung, welche China vorantreibt. Systematische Forschung, ähnlich wie in der westlichen Medizin, soll dazu führen, dass die beiden medizinischen Ansätze öfter ergänzend angewendet werden in China.
Das heisst, die Entwicklung ist nicht nur eine Reaktion auf die wachsende Nachfrage, sondern auch Teil einer breiten Strategie zur Förderung von TCM als fester Bestandteil des Gesundheitssystems.
TCM wird zur Soft-Power
Und die Verbreitung von TCM geht inzwischen über Kliniken und das Gesundheitswesen hinaus. So eröffneten in Schanghai jüngst TCM-Gelaterias. Glaces mit den Geschmacksrichtungen Ginseng, schwarzem Reis oder Jasmin-Tee finden reissenden Absatz, sagt Gründerin Shorty Wu. «Die Leute kommen rein und sagen: ‹Ah, das hat mir meine Grossmutter immer gegeben›.»
Allerdings hat die Glace keinen Anspruch auf heilende Wirkung, sie nutzt lediglich geschickt die hohe Aufmerksamkeit für TCM aus. Mit dem Erfolg kommen auch grosse Pläne. Wu will mit ihrem Eis ins Ausland expandieren.
Vorerst verbreitet sich aber vor allem die traditionelle chinesische Medizin selbst, insbesondere in asiatischen Ländern und wird so auch zu einer Art Soft-Power für China.