Mit Pelé hat die Fussballwelt eine ihrer allergrössten Legenden verloren. Edson Arantes do Nascimento war wahrscheinlich der erste globale Fussballstar und auch für Fans ein Idol, die ihn gar nie spielen sahen. Fussballhistoriker Michael Jucker erklärt im Gespräch das Phänomen Pelé und erzählt, wieso der Weltstar Mitglied beim FC Zürich wurde.
SRF News: Eigentlich hat nur noch die Grosseltern-Generation Pelé spielen sehen. Wieso konnte sich dieser Mythos um ihn dennoch halten?
Michael Jucker: Pelé wurde sehr jung Weltmeister und war schon in jungen Jahren ein sehr kompletter Fussballer, stach durch seine elegante Spielweise hervor und zelebrierte Fussball als Kunstform. Und als einziger Fussballer überhaupt wurde er dreimal Weltmeister. Wichtig ist aber auch die mediale Fussball-Berichterstattung, die sich bei Pelés erstem Weltmeistertitel 1958 in Schweden veränderte. Es war das erste Turnier, das grossflächig am TV übertragen und zu einem Fernsehereignis wurde. Pelé war mit seinem eleganten Spielstil der Star des Turniers. Sein ikonisches Bild mit dem WM-Pokal ging um die Welt.
Und er war auch der erste dunkelhäutige Fussballstar und wurde für viele People of Color zu einem grossen Vorbild. Und er ist dies ja bis heute für Spieler wie Mbappé oder vor allem Neymar, die Pelé auf ihren sozialen Kanälen würdigten, obwohl sie ihn nie spielen sahen.
War Pelés Status mit einem Superstar von heute vergleichbar?
Pelé wurde auf jeden Fall als Star wahrgenommen. Er erhielt in Brasilien sehr lukrative Verträge für Plakat- und TV-Werbung. So machte er zum Beispiel Werbung für VW, Subway, Seifen und später für Viagra. Er wurde zum vermarkteten Gesicht für den Fussball in Brasilien und auf der ganzen Welt. Man kann wohl sagen, dass er der erste Fussballstar des TV-Zeitalters war.
Wie sahen damals die finanziellen Dimensionen aus?
Pelé verdiente gut bei seinem Verein Santos und hatte später zum Ausklang seiner Karriere auch einen guten Vertrag in den USA bei Cosmos New York. Und vor allem vergoldete Pelé seine Fussballer-Rente. Er hatte weiter lukrative Werbeverträge und liess sich seine öffentlichen Auftritte, zum Beispiel an Benefiz-Spielen, gut bezahlen. Ausserdem fungierte er auch als Botschafter, wie etwa für die WM in Brasilien.
1968 hatte Pelé sein einziges Gastspiel als Fussballprofi in der Schweiz. Bei einem Freundschaftsspiel gegen den FC Zürich.
Pelés FC Santos war damals auf Europa-Tournee und spielte gegen zahlreiche hochkarätige Teams. Santos gewann alle Matches, ausser gegen den FCZ setzte es eine 4:5-Niederlage ab. Es war ein regnerischer Juni-Tag und es kamen nur 16'000 Zuschauer in den Letzigrund. Finanziell lohnte sich das Ganze für den FCZ nicht wirklich. Santos bekam für seinen Auftritt 120'000 Franken, was damals schon sehr viel Geld war. Pelé wohnte für das Spiel bei einer Familie in Horgen, zu der er offenbar auch später noch Kontakt hatte.
Mit dem FCZ verbindet Pelé noch eine andere Geschichte.
Genau. Pelé wurde später sogar FCZ-Mitglied. Das fädelte der frühere FCZ-Mediensprecher Guido Tognoni, der später bei der Fifa war, ein. In der Saison 1998/1999 kam ein Fax auf der FCZ-Geschäftsstelle mit dem Mitgliedschaftsantrag von Pelé an. Zur grossen Freude von Präsident Sven Hotz, der Pelé den Mitgliederbeitrag von 150 Franken grosszügigerweise erliess.
Zum Schluss die unumgängliche Frage: Wer war besser? Pelé oder Maradona?
Ich bin SSC Napoli-Fan, weshalb mir Maradona natürlich näher ist. Von dem, was Pelé schon als junger Fussballer erreicht hat und was Maradona leistete, kann man sagen, dass beide gleichwertige Fussballgötter sind. Rein fussballerisch waren beide zudem sehr komplett. Und sie kamen aus ärmlichen Verhältnissen. Das ist sicher auch ein Grund, weshalb sie zu so grossen und weltumspannenden Ikonen wurden. Sie haben vielen Jungen gezeigt, dass Fussball den sozialen Aufstieg ermöglichen kann.
Das Gespräch führte Philipp Schneider.
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Bild 1 von 14. 1958: Pelés Stern geht auf. Ein 17-Jähriger hebt den Fussball auf ein neues Niveau. An der WM in Schweden verzückt Pelé das Publikum mit seinen Tricks. Dieses ist ihm nicht einmal böse, dass er die Schweden im Final (5:2) wie Statisten aussehen lässt. Bildquelle: imago images.
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Bild 2 von 14. 1958: Sein wohl berühmtestes Tor. In ebendiesem WM-Final nimmt Pelé den Ball mit dem Rücken zum Tor an, lupft ihn über sich selber und schliesst volley zum vorentscheidenden 3:1 ab. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 14. 1962: Gute Miene zum bösen Spiel. Nach glanzvollem Auftritt im ersten WM-Spiel verletzt sich Pelé in der 2. Partie und muss den Rest des Turniers zuschauen. Im Halbfinal gegen Gastgeber Chile schwenkt er aus Höflichkeit ein chilenisches Fähnchen. Angeführt von Garrincha, Vava und Zito verteidigen seine Teamkollegen den Titel. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 14. 1963: Audienz beim Papst. Ein Jahr nach dem 2. WM-Titel wird Brasiliens Nationalteam von Papst Johannes XXIII. empfangen. Pelé zeigt reges Interesse an der Schweizergarde. Bildquelle: imago images.
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Bild 5 von 14. 1966: Die Jagd auf den Zauberer. An der WM in England versuchen Brasiliens Gegner, Pelé mit Härte aus dem Spiel zu nehmen. Mit Erfolg: Im entscheidenden letzten Gruppenspiel gegen Portugal verletzt er sich, muss lange behandelt werden und kann die 1:3-Niederlage nicht verhindern. Der Titelverteidiger ist out. Bildquelle: imago images.
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Bild 6 von 14. 1968: Das Freundschaftsspiel gegen den FCZ. Pelés Klub Santos unternimmt eine Europa-Tournee und spielt im (politisch heissen Sommer) 1968 im Letzigrund gegen den FC Zürich. Hier sind Pelé und Köbi Kuhn zu sehen – die Zürcher gewinnen sensationell 5:4. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 14. 1970: Der 3. WM-Titel. Von seinem Ex-Mitspieler Zagallo gecoacht, führt Pelé Brasilien an der WM in Mexiko in neue Höhen. Im Final gegen Italien trifft Pelé früh zur Führung – Italiens Hüter Enrico Albertosi bleibt das Nachsehen. In der 2. Halbzeit bereitet er zwei weitere Tore zum 4:1-Schlussstand vor. Bildquelle: imago images.
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Bild 8 von 14. 1974: Der Abschied von Santos. Als 15-Jähriger hatte Pelé 1956 sein Debüt in der 1. Mannschaft von Santos gegeben. 18 Jahre später läuft er zum letzten Mal im Dress seines Herzensklubs auf. Bildquelle: imago images.
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Bild 9 von 14. 1977: Die New-York-Cosmos-Phase. Aus finanzieller Not gibt Pelé 1975 den Rücktritt vom Rücktritt und heuert bei New York Cosmos an, das den Fussball in den USA populärer machen will. Drei Saisons spielt er für die New Yorker, im letzten Jahr gemeinsam mit Franz Beckenbauer. Bildquelle: imago images.
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Bild 10 von 14. 1986: Legenden unter sich. Pelés legitimer Nachfolger ist Diego Armando Maradona. Wenige Monate nach dem argentinischen WM-Titel 1986 posieren die beiden Ausnahmekönner für die Fotografen. Bildquelle: imago images.
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Bild 11 von 14. 1987: Häufiger Gast in der Schweiz. Immer wieder macht Pelé nach seiner Karriere in der Schweiz Halt – meist um eine seiner zahlreichen Ehrungen abzuholen oder für PR-Auftritte. Hier sind der Brasilianer und Diego Maradona im Hardturm zu sehen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 14. 2007: Gescheitertes Ausbildungsprojekt. Mit Lausanne will Pelé eine Partnerschaft eingehen, um brasilianischen Nachwuchs-Fussballern ein Sprungbrett für Europa zu bieten. Das Projekt bleibt aber ohne nachhaltigen Erfolg. Bildquelle: imago images.
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Bild 13 von 14. 2014: Lifetime Award. Für seine fussballerische Lebensleistung erhält Pelé 2014 einen Ehren-Ballon d'Or. Da kommen selbst dem vielfach Geehrten die Tränen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 14. 2022: Pelés Schicksal bewegt die Fussballwelt. An der WM 2022 in Katar ist Pelés prekärer Gesundheitszustand allgegenwärtig. Fans aus aller Welt wünschen dem Brasilianer Kraft und Mut. Bildquelle: Imago/Ulmer Teamphoto.