Am Ghetto-Denkmal in der polnischen Hauptstadt Warschau haben die Staatspräsidenten Polens, Israels und erstmals auch Deutschlands – Andrzej Duda, Izchak Herzog und Frank-Walter Steinmeier – des Beginns des Aufstandes gedacht. Sie hielten Reden und legten Kränze nieder.
Frank-Walter Steinmeier bekannte sich zur deutschen Verantwortung für die Vernichtung der Juden und bat um Vergebung. Er bedankte sich zugleich für die Versöhnung beider Staaten mit den einstigen Tätern. Diese sei ein «unendlich kostbares Geschenk». Deutsche hätten das Menschheitsverbrechen der Shoah minutiös geplant und durchgeführt. «Deutsche haben Europas Jüdinnen und Juden, die Jüdinnen und Juden Warschaus mit einer Grausamkeit und Unmenschlichkeit verfolgt, versklavt, ermordet, für die uns die Worte fehlen», sagte Steinmeier. Er stehe hier «in Trauer und Demut».
Der deutsche Bundespräsident betonte, die Deutschen wüssten um ihre Verantwortung und um den Auftrag, den die Überlebenden und die Toten ihnen hinterlassen hätten. «Wir nehmen ihn an. Für uns Deutsche kennt die Verantwortung vor unserer Geschichte keinen Schlussstrich. Sie bleibt uns Mahnung und Auftrag in der Gegenwart und in der Zukunft.»
Parallelen zum Ukraine-Krieg
Polens Präsident Andrzej Duda würdigte die Teilnehmer des Warschauer Ghetto-Aufstandes als gemeinsame Helden Israels und Polens. «Sie sind für mich und viele Polen vor allem ein Symbol für Tapferkeit, Entschlossenheit und Mut», sagte Duda. Die Aufständischen seien mit ihrem Mut ein Vorbild für israelische und polnische Soldaten, die die Grenzen ihrer Länder bewachen, so Duda weiter.
Der polnische Auschwitz-Überlebende Marian Turski zog Parallelen zwischen den von Nazi-Deutschland begangenen Taten im Zweiten Weltkrieg und Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Er könne nicht schweigen, wenn er die Verbrechen im ukrainischen Butscha sehe, wohl wissend, welche Gräueltaten Deutschland während des Zweiten Weltkrieges in besetzten Ländern begangen habe, sagte Turski.
Zwar habe ihn die sowjetische Armee aus Auschwitz befreit, und dafür werde er auf ewig dankbar sein, so Turski weiter. «Aber kann ich gleichgültig sein? Kann ich schweigen, wenn das heutige Russland eine Aggression gegen unseren Nachbarn betreibt?»
«Fackel der Verantwortung»
Die wichtigste Lehre aus der deutschen Geschichte laute «Nie wieder!», sagte wiederum Steinmeier. Die Deutschen hätten diese Lehre gelernt. Nie wieder, das bedeute, dass es in Europa keinen verbrecherischen Angriffskrieg wie den Russlands gegen die Ukraine geben dürfe.
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Bild 1 von 4. Nach dem gescheiterten Aufstand werden zahlreiche polnische Juden von der deutschen Waffen-SS aus dem brennenden Warschauer Ghetto abgeführt. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 2 von 4. Die Nazis machten 1943 das Warschauer Ghetto dem Erdboden gleich. Einzig die katholische Kirche blieb stehen. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 3 von 4. Mitglieder der Waffen-SS entwaffnen die Aufständischen und führen sie ab. Bildquelle: Keystone / Archiv.
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Bild 4 von 4. Die völlig unzureichend bewaffneten Aufständischen erhoben sich am 19. April 1943 und lieferten der nationalsozialistischen Besatzungsmacht mehrere Wochen lang erbitterte Gefechte. Am Schluss wurden die jüdischen Ghetto-Bewohner verhaftet und abgeführt. Bildquelle: Keystone / Archiv.
Israels Präsident Izchak Herzog dankte seinem polnischen Kollegen Duda für dessen entschlossenen Einsatz bei der Erinnerung an den Holocaust. Dies sei die Basis für einen «wichtigen Dialog zwischen Polen und Israel und die Förderung der Freundschaft zwischen unseren Völkern», sagte Herzog.
Herzog dankte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für dessen «moralische Führung». Der deutsche Präsident spiele eine wichtige Rolle bei der Vertiefung der Freundschaft zwischen Israel und Deutschland. Es sei wichtig, die «Fackel der Verantwortung» an künftige Generationen weiterzugeben.
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Bild 1 von 5. Eine Linie im Kopfsteinpflaster von Warschau erinnert an den Verlauf der ehemaligen Ghetto-Mauer. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 5. Überreste der Ghetto-Mauer in Warschau: Kerzen erinnern an die jüdischen Opfer. Bildquelle: Reuters.
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Bild 3 von 5. Ein imposanter Glaskubus: das neue Museum für jüdische Geschichte in Warschau. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 5. Ein Riss in der Fassade des Museums soll an den Holocaust erinnern – und an die Teilung des Roten Meeres durch Moses. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 5. Sicht ins Innere des neuen jüdischen Museums mit dem Hauptgang. Bildquelle: Reuters.