Alle acht Jahre versammeln sich protestantische und orthodoxe Christinnen und Christen aus aller Welt. Sie vertreten 352 verschiedene Kirchen. Dieses Jahr findet die Vollversammlung des Weltkirchenrats, kurz ÖRK, erstmals in Deutschland statt, und zwar in Karlsruhe.
Mit dabei sind auch Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche. Ihr Oberhaupt, der Moskauer Patriarch Kyrill, unterstützt den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Teilnahme der russisch-orthodoxen Kirche sorgte schon im Vorfeld des Treffens für Diskussionen.
Frieden ist eigentlich ein Grundanliegen der Ökumene. Trotzdem rechtfertigt der Moskauer Patriarch den Krieg in der Ukraine – und spendete dafür sogar seinen Segen. Tatsächlich sei dies unvereinbar mit den Grundprinzipien der ökumenischen Bewegung, erklärt SRF-Religionsredaktorin Judith Wipfler, die von der riesigen Zusammenkunft im südwestdeutschen Bundesland Baden-Württemberg berichtet.
Der ÖRK versteht sich als Friedensbewegung
Ein fundamentaler ökumenischer Grundsatz lautet «Do No Harm» (dt. «Keine Gewalt»). Nach dem Zivilisationsbruch des Zweiten Weltkriegs wurde der Weltkirchenrat zur Versöhnung der Kirchen und der Völker gegründet. An den Vor-Konferenzen der Vollversammlung haben die Kirchen heftig darüber diskutiert, ob man die russisch-orthodoxe Kirche ausschliessen soll.
«Man hat sich aber dagegen entschieden. Denn die Hoffnung überwiegt, dass man in einen Dialog treten kann», führt die Religionsexpertin aus. Der andere Grund, warum man sich für die Teilnahme der russisch-orthodoxen Delegation am Kirchengipfel aussprach: «Genauso wenig, wie Putin Russland sei, sei Kyrill die russische Kirche.»
Die Kirchen versuchten wiederholt, sich für Frieden und Dialog einzusetzen. Bislang waren die Bemühungen aber fruchtlos. Wipfler glaubt, dass mittelfristig ein Beitrag zur Aussöhnung möglich ist. «Ich bin aber skeptisch, ob es in Karlsruhe zur grossen Wende kommt. Auch der Papst ist ja nicht weitergekommen mit Moskau.»
Dazu kommt: Im neuen Jahrtausend hat der ökumenische Rat laut Wipfler an Bedeutung und Einfluss verloren – auch wegen Zugeständnissen an die orthodoxen, konservativeren Kirchen. Die russisch-orthodoxe Kirche ist die grösste Mitgliedskirche im ÖRK. «Und das verhindert pointierte, politische Aussagen oder Appelle. Denn diese müssen einstimmig gefasst werden.»
Treffen im Schatten des Kriegs
Das Gewicht der konservativen Kräfte führt auch dazu, dass gewisse Themen gar nicht erst auf den Tisch kommen. So etwa die Fragen der Gleichstellung oder der Homosexualität. Letztere ist geradezu ein Tabuthema. Nichtsdestotrotz: Die Weltkirchengemeinschaft kann hunderte Millionen Menschen erreichen. Im globalen Süden und in Asien wächst die Christenheit auch, ganz anders als in Europa.
Der Krieg in der Ukraine droht andere Themen in den Hintergrund zu drängen. «Doch die Kirchengemeinschaft möchte auch Themen wie Klimagerechtigkeit, Postkolonialismus oder die Rechte der Indigenen thematisieren», sagt Wipfler. Und mit ihren klassischen Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung könne der ÖRK hier durchaus wichtige Impulse setzen.