- Israels Parlament hat ein Kernelement zum Umbau der Justiz im Land verabschiedet.
- Eine Mehrheit der 120 Abgeordneten stimmte für einen Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt.
- Es ist Teil eines grösseren Gesetzesvorhabens, das von kritischen Stimmen als Gefahr für Israels Demokratie eingestuft wird.
Trotz massiven Widerstands hat Israels Parlament ein Kernelement der umstrittenen Justizreform verabschiedet. 64 von 120 Abgeordneten stimmten nach tagelanger Debatte für einen Gesetzentwurf, der unter anderem die Handlungsmöglichkeiten der Justiz einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung.
Mit dem neuen Gesetz ist es dem Höchsten Gericht künftig beispielsweise nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als «unangemessen» zu bewerten. Kritische Stimmen befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Die Netanjahu-Regierung wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.
Höchstes Gericht mit grosser Bedeutung
Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fusst stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Daher kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.
Seit mehr als einem halben Jahr spaltet das Vorhaben weite Teile der israelischen Gesellschaft. Regelmässig gehen Tausende Menschen gegen eine Schwächung der Justiz auf die Strassen. Verhandlungen, auch in letzter Minute, über einen Kompromiss blieben erfolglos.
Die Demonstrierenden, die sich am Montagnachmittag vor dem Sitz der Knesset – des Parlaments Israels – versammelt haben, zeigen sich enttäuscht. «Ich habe bis zuletzt gehofft, dass jemand dieses schreckliche Gesetz stoppen wird», sagt Diklah Geva. «Wir wissen nicht, was als Nächstes kommen wird. Wir wissen nicht, was wir machen oder wohin wir gehen sollen.»
Das ist der erste Schritt in Richtung Diktatur.
«Das ist der erste Schritt in Richtung Diktatur, die von dieser extrem-fundamentalistischen Regierung errichtet wird», meint Yoav Koch vor dem Parlamentsgebäude gegenüber SRF-Korrespondentin Anita Bünter. «Wir werden mit dem Protest weitermachen. Wir lassen nicht zu, dass sie unser Land zerstören», gibt sich Inbal Orbac sicher.
Opposition kündigt Petition an
Israels Oppositionsführer Jair Lapid hat nach der Verabschiedung Konsequenzen angekündigt. Die Opposition werde am Dienstagmorgen beim Höchsten Gericht eine Petition gegen die «einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des Staates Israels» einreichen.
Lapid sprach von einer «beispiellosen Schwächedemonstration» des Regierungschefs. Benjamin Netanjahu sei «zur Marionette einer Reihe messianischer Extremisten geworden». Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechts stehende, die Israel je hatte. Die Gesetzesänderungen erfolgen auch auf Druck von Netanjahus strengreligiösen Koalitionspartnern. Sie könnten Netanjahu laut Experten jedoch auch in einem schon länger gegen ihn laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen.