In Singapur kommt es zum Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. Es geht um die atomare Abrüstung Nordkoreas. Kaum ein Thema war bisher die Menschenrechtslage, obwohl Kim für die Unterdrückung jeglicher Opposition in seinem Land bekannt ist. Laut Koreakenner Eric Ballbach ist es aber nicht ratsam, dies morgen anzusprechen.
SRF News: Wird in Singapur die Menschenrechtslage zur Sprache kommen?
Eric Ballbach: Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass dies ein grundlegendes Thema bei dem Gipfel sein wird. Die Denuklearisierung selbst ist bereits eine unglaublich komplexe Herausforderung. Es geht darum, erst einmal ein Grundverständnis zwischen Nordkorea und den USA zu schaffen. Grundlegende Fragen müssten beantwortet werden, beispielsweise: Was bedeutet Denuklearisierung eigentlich für beide Seiten? Welche Schritte müssen unternommen werden, um dieses Ziel langfristig zu erreichen?
Die Japaner werden die Entführtenfrage früher oder später auf die Agenda bringen.
In diesen Fragen überhaupt eine grundlegende Übereinstimmung zu erzielen, wird schon schwierig genug. Aber nichtsdestotrotz ist die Frage der Denuklearisierung Nordkoreas auch inhärent verbunden mit zahlreichen weiteren, zum Teil auch historischen Problemen, die einzelne Länder mit Nordkorea haben. Darunter ist beispielsweise die Entführtenfrage, die die Japaner früher oder später auf die Agenda bringen werden. Und dazu zählen eben auch Menschenrechtsfragen, die für weitere Akteure, nicht nur die USA, im Umgang mit Nordkorea noch eine grosse Rolle spielen werden.
Bis zu 120'000 politische Gefangene soll es in Nordkorea geben. Nicht nur Menschenrechtler sprechen von massiven Menschenrechtsverletzungen. Das sollte man doch zumindest ansprechen, oder ist das zu heikel?
Das hat nichts damit zu tun, dass es zu heikel ist. Es ist ein Thema, das auf jeden Fall auf die Tagesordnung gehört. Aber die Frage ist: Ist das morgen der richtige Rahmen, um alle Probleme, die die internationale Gemeinschaft mit Nordkorea hat, bei einem eintägigen Treffen bereits als zentralen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen? Eigentlich soll es dabei ja um die Frage von Denuklearisierung und Frieden auf der koreanischen Halbinsel gehen.
Hier muss überhaupt erst einmal schrittweise Vertrauen aufgebaut werden.
Ich würde davor warnen, dieses Thema morgen bereits anzusprechen. Denn ein Grundproblem besteht darin, dass das Misstrauen zwischen Nordkorea und den USA sehr ausgeprägt ist. Hier muss erst einmal ein Graben überbrückt und schrittweise Vertrauen aufgebaut werden. Denn wenn wir dieses Thema schon in Singapur zu einem Kern der Verhandlungen mit Nordkorea machen, werden diese Gespräche mit aller Wahrscheinlichkeit sehr früh enden.
Erwarten Sie, dass sich durch diese Gespräche auf höchster Ebene in absehbarer Zeit dennoch etwas an der Situation der Menschen in Nordkorea verbessern könnte?
Mittelfristig wird es nur gelingen, die Lebenssituation der Menschen in Nordkorea zu verbessern, wenn die nordkoreanische Regierung die strategische Entscheidung trifft, auch nachhaltige ökonomische Reformen zuzulassen. In dieser Frage hat sich unter Kim Jong-un bereits einiges getan. Der Grad der Informalität in den ökonomischen Beziehungen ist sehr hoch. Es gibt eine ausgeprägte Schattenwirtschaft in Nordkorea, die zunehmend über marktwirtschaftliche Prozesse wie Angebot und Nachfrage läuft.
Es gibt eine ausgeprägte Schattenwirtschaft in Nordkorea.
Dabei spielt auch Geld eine herausragende Rolle, was für eine eigentlich formelle Planwirtschaft keine Selbstverständlichkeit ist. Aber es gibt natürlich sehr viel mehr zu tun. Und hierfür muss Kim Jong-un am Ende den Dialog mit der internationalen Gemeinschaft suchen. Aufgrund der bestehenden Sanktionen wird es Nordkorea nicht gelingen, unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen die Wirtschaft erfolgreich aufzubauen.
Das Gespräch führte Roger Aebli.