SRF News: Der Unterkunfts-Vermittler Airbnb, der Taxi-Vermittler Uber und weitere grosse US-Unternehmen, die global tätig sind, engagieren sich gegen den verhängten Einwanderungs-Stopp. Warum tun sie das?
Walter Niederberger: Es sind in erster Linie wirtschaftliche Interessen. All diese Firmen sind entweder bereits global etabliert, oder sie wollen gerade in den Weltmarkt eintreten. Jede Diskriminierung, sei sie nun religiöser, sozialer oder politischer Art, schadet ihrer Kundschaft.
Es geht also auch ums Image dieser Unternehmen?
Sicher auch. Denn das Image dieser Firmen stellt einen Teil ihres Geschäftsmodell dar. Ein Beispiel einer solchen Firma ist Ford. Es wurde erst nach den Internet-Firmen im Silicon Valley bekannt, dass auch der Autobauer gegen diese Einwanderungpolitik der Trump-Regierung protestiert. Dies weil auch Ford sehr stark auf Einwanderer aus dem Ausland angewiesen ist. Das vergisst man oft. Aber Ford hat in den 50er-Jahren als erstes Unternehmen Einwanderer aus dem Nahen Osten geholt.
Starbucks hat angekündigt, nach dem Ende des Einwanderungsstopps 10‘000 Flüchtlinge einzustellen. Die Kaffeekette ist aber auch unter Trump-Wählern beliebt. Riskiert sie so nicht, Kundschaft zu verlieren?
Starbucks ist wahrscheinlich eine Firma, die mehr verliert, wenn sie nicht protestiert, als wenn sie es tut. Starbucks ist ein globales Unternehmen, das auch die urbane Kundschaft anzieht. Das ist vielleicht auch ein Unterschied zur Fastfood-Kette McDonald's, die sich sehr still verhält derzeit. Es ist klar: Wer ein urbanes und jüngeres Publikum ansprechen will, kann nicht schweigen bei einer Einwanderungspolitik, die gerade diese jüngere Generation betrifft.
Starbucks ist wahrscheinlich eine Firma, die mehr verliert, wenn sie nicht protestiert, als wenn sie es tut.
Vor Trumps Vereidigung hatten sich die CEOs der Tech-Firmen mit ihm getroffen und seine Ideen nicht kritisiert. Wieso dieser Sinneswandel?
Auch die Tech-Industrie ist bis zu einem gewissen Grad auf den Goodwill der Regierung Trump angewiesen. Deshalb sind auch diese Manager vor etwa drei Wochen en masse bei Trump erschienen und haben sich mit ihm unterhalten. Sie hofften, dass es gut geht. Nun ist dieser Einreisestopp aber derart schlecht durchdacht und lückenhaft, dass er ihrem Geschäftsmodell schadet. Das Problem: Diese Politik ist unberechenbar und wenig durchsichtig. Unberechenbarkeit, Intransparenz und eine Regierung, die im Grunde macht, was sie will, ist genau das, was diese Unternehmen nicht brauchen können.
Das Justizministerium wird nicht mehr geführt. Man kann nicht erwarten, dass es in den nächsten Tagen Klarheit schafft.
Was können diese Unternehmen mit ihrem Widerstand bewirken?
Sie haben schon einiges bewirkt. Mehrere Richter haben den Einreisestopp in Frage gestellt. Die Justizministerin Sally Yates hat sogar offen in Zweifel gezogen, ob er legal sei. Donald Trump hat sie daraufhin entlassen. Das ist natürlich auch ein sehr schlechtes Signal für die Wirtschaft: Im Grunde wird das Justizministerium nun nicht mehr geführt. Man kann also nicht erwarten, dass es in den nächsten Tagen Klarheit schafft. Und das erhöht die Unsicherheit und schadet der Wirtschaft.
Wenn eine Regierung Unsicherheit auf den globalen Märkten schafft, schadet das den Interessen der Unternehmen.
Werden die Proteste von Unternehmensseite her in den nächsten Tagen noch zunehmen?
Es sieht so aus. Nach der Tech-Industrie und mit Ford auch der Automobilindutrie haben interessanterweise auch zwei grosse Investmentbanken, Goldman Sachs und Morgan Stanley, reagiert. Sie haben gesagt, so gehe es nicht. Warum? Auch ihnen geht es natürlich um die Kundschaft. Es sind international tätige Banken. Und wenn eine Regierung Unsicherheit auf den globalen Märkten schafft, schadet das ihren Interessen. Dass ausgerechnet Goldman Sachs reagiert, ist allerdings sehr aufschlussreich; die Bank, die in der Trump-Regierung gleich mit mehreren früheren Topkadermitgliedern vertreten ist. Der amtierende Goldman-Sachs-Chef lehnt sich gegen diese Regierung auf. Es zeichnen sich also sehr spannende Konflikte ab.
Das Gespräch führte Daniel Eisner.