Niemand sagt, es sei ein einfaches Amt. Louis DeJoy übernimmt die Führung eines öffentlichen Unternehmens mit 600'000 Angestellten und maroden Finanzen. Denn der staatliche United States Postal Service USPS ist chronisch unterfinanziert – und gleichzeitig an einen fixen gesetzlichen Leistungsauftrag gebunden.
Die Coronavirus-Pandemie brachte die ausgehungerte Post endgültig in Schieflage. Das US-Parlament sprach im März ein zehn Milliarden Dollar hohes Notdarlehen – doch das Weisse Haus hielt das Geld zurück und stellte Bedingungen: Kosten senken.
Folgenschwere Sparmassnahmen
«Ich bin direkt, entscheidungsfreudig und rede Klartext», so stellte sich Louis DeJoy bei Amtsantritt selber dar. Er griff sofort zum Rotstift – strich Überstunden zusammen, schränkte den Betrieb von Post-Logistikzentren ein und die Öffnungszeiten von Poststellen.
Kurz darauf hörte man in den Medien von verspäteter Briefpost. Der Post-Gewerkschaftschef Mark Dimondstein bestätigte die Berichte. Die neuen Bestimmungen würden sie dazu zwingen, die Post zu verlangsamen.
Streit um Briefwahlen
Der USPS spielt bei den Präsidentschaftswahlen im November eine wichtige Rolle, da in der Mehrheit der US-Bundesstaaten zum ersten Mal breit brieflich abgestimmt werden wird – wegen der Pandemie.
Die Demokraten in Washington vermuten deshalb hinter den Sparmassnahmen einen Sabotageakt aus dem Weissen Haus, um das Vertrauen in den Wahlprozess zu untergraben.
«Trump und sein Handlanger wollen behaupten können, die Präsidentschaftswahl sei nicht ordentlich abgelaufen, falls die Wahlzettel zu spät eintreffen», sagte der führende Demokrat im Senat, Chuck Schumer auf MSNBC.
Wenn wir eine direkte Briefwahl für Abermillionen von Bürgerinnen und Bürgern veranstalten, dann wird das Wahlresultat nie bekannt sein.
Tatsächlich stellt Präsident Donald Trump, der in Umfragen deutlich hinter Joe Biden liegt, die Briefwahl bereits seit Monaten als untragbares Wahlrisiko dar: «Wenn wir eine direkte Briefwahl für Abermillionen von Bürgerinnen und Bürgern veranstalten, dann wird das Wahlresultat nie bekannt sein», sagte er kürzlich.
Post-Chef DeJoy weist den Vorwurf zurück, er verlangsame die Post absichtlich. Die Verdächtigung, er sei Trumps Handlanger, entbehrten jeder Grundlage, sagte er gegenüber dem Gouverneursrat der US-Post, dem er unterstellt ist. «Ich handle ausschliesslich aus betriebsökonomischen Gründen», sagt DeJoy. Die US-Post würde alles unternehmen, um die brieflichen Wahlzettel rechtzeitig auszuhändigen.
Ein Treffen mit ihm war ein Hohn. DeJoy war völlig überfordert.
Die Demokraten glauben dem 63-jährigen Post-Chef nicht. Sie wollen stattdessen der Post im Rahmen des zweiten Corona-Hilfspakets mit 25 Milliarden Dollar unter die Arme greifen. Und sie wollen DeJoy zwingen, die Sparmassnahmen rückgängig zu machen.
«Ein Treffen mit ihm war ein Hohn. DeJoy war völlig überfordert», sagt Chuck Schumer, führender Demokrat im Senat. Bei den Verhandlungen über ein neues Corona-Hilfspaket genösse die Zukunft des USPS für die Demokraten höchste Priorität. In diesem Punkt würden sie nicht einknicken, so wichtig sei das Thema. Denn wenn die Amerikaner und Amerikanerinnen die Fairness der Wahlen bezweifelten – wo führe das hin?
Beide Seiten, die Demokraten und Präsident Trump, sehen in unzulänglichen Postdiensten eine Gefahr für die Wahlen – doch die Mittel, die sie verschreiben, sind sehr unterschiedlich. Die Demokraten wollen der Post helfen. Präsident Trump will sie zusammensparen.