Am Ende eines spannenden Wahltages liegen die «ANO»-Partei von Regierungschef Andrej Babis und die konservative Parteienallianz «Spolu» praktisch gleichauf. Beide holen gut 27 Prozent der Stimmen, beide werden gleich viele Sitze im Abgeordnetenhaus haben. Ein grosser Sieg für «Spolu», ein kleiner Rückschritt für die «ANO».
Sie bleibt nämlich die stärkste einzelne Partei in Tschechien. Und Staatspräsident Zeman will seinem politischen Verbündeten Babis deshalb auch den Auftrag zur Regierungsbildung geben. Nur: Das wird ihm wenig nützen. Babis will zwar Regierungsverhandlungen führen, aber alle fragen sich, mit wem.
Seine bisherigen Verbündeten sitzen nach den Wahlen nämlich nicht mehr im Parlament, die Rechtsextremen sind zu schwach und alle anderen im Parlament vertretenen Parteien haben Babis bereits eine Abfuhr erteilt. Babis hat fast so viele Wähler und Wählerinnen wie vor vier Jahren. Aber es fehlen ihm die politischen Freunde.
Grosse Koaltion wahrscheinlich
Am wahrscheinlichsten ist, dass eine grosse Koalition von fünf Parteien in Prag die Regierung übernimmt: «Spolu» und das liberalere Bündnis von Piraten und Bürgermeistern kommen zusammen auf eine klare Mehrheit im Abgeordnetenhaus. «Spolu»-Spitzenkandidat Petr Fiala hat die besten Karten, neuer Regierungschef zu werden.
Für diesen Fall hat Babis bereits seinen Abgang von der politischen Bühne angekündigt. Hält er sich daran, geht eine lange Phase zu Ende, in der die Interessenkonflikte des Regierungschefs und Multimilliardärs die tschechische Politik dominiert haben.
Was Tschechien erwartet bleibt offen
Auch eine Koalitionsregierung von «Spolu», Piraten und Bürgermeistern wäre letztlich ein direktes Resultat von Babis’ Interessenkonflikten. Der Wille, Babis abzulösen, ist, was die fünf Parteien dazu bringen dürfte, eine so breite Koalition einzugehen.
Eine Regierung unter Peter Fiala wäre wohl europafreundlicher als es die Babis-Regierung war, wohl etwas grüner, was die Klimapolitik angeht, und wohl etwas weniger spendabel bei den Sozialleistungen. Was die Tschechinnen und Tschechen aber wirklich erwartet, ist ziemlich offen. Der Wahlkampf gehörte noch zur Ära Babis – und da drehte sich in der tschechischen Politik alles um den Regierungschef und seine Interessenkonflikte.