- Bei der Parlamentswahl in Tschechien haben zwei Oppositionsbündnisse überraschend eine Mehrheit erzielt.
- Sie kamen am Samstag nach Auszählung fast aller Wahlkreise gemeinsam auf 109 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus.
- Damit hat Ministerpräsident Andrej Babis die ihn tragende Abgeordnetenmehrheit verloren.
Das konservative Wahlbündnis Spolu (Gemeinsam) liegt nach letzten Ergebnissen bei 27.8 Prozent der Stimmen, die Allianz von Piraten- und Bürgermeisterpartei bei 15.6 Prozent. Die Partei des populistischen Regierungschefs Andrej Babis, die ANO liegt nach den letzten Zahlen nur bei 27.1 Prozent. Babis musste nach Auszählung fast aller Stimmen die Niederlage einräumen. Der Multimilliardär gratulierte seinem Kontrahenten Petr Fiala am Samstagabend zu einem «tollen Endspurt».
Babis sagte weiter: «So ist das Leben, wir verstehen und akzeptieren das. Zugleich warf der 67-Jährige der Opposition eine «Schmutzkampagne» vor und liess sich eine Hintertür offen. Sollte ihn Präsident Milos Zeman dennoch mit der Regierungsbildung beauftragen, werde er verhandeln, gab Babis bekannt. «Der Wechsel ist da, wir sind der Wechsel», sagte hingegen Spolu-Spitzenkandidat Fiala, der Anspruch auf die Bildung einer Mehrheitsregierung erhob.
Babis war auf den letzten Wahlkampfmetern in Zusammenhang mit der Veröffentlichung der sogenannten Pandora Papers von einer Finanzaffäre eingeholt worden. Nach Recherchen eines internationalen Journalisten-Netzwerks soll er 2009 über dubiose Briefkastenfirmen Immobilien in Frankreich gekauft haben. Der 67-Jährige, der sich selbst als Korruptionsbekämpfer darstellt, bestritt Vorwürfe der Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
Nun droht eine Pattsituation
Nach der Wahl droht eine Pattsituation. Präsident Milos Zeman hat in der Vergangenheit mehrmals betont, er werde keinem Wahlbündnis, sondern der stärksten Einzelpartei den Regierungsauftrag geben. Das wäre in jedem Fall die populistische ANO von Babis, da Spolu aus den drei Parteien ODS, TOP09 und KDU-CSL besteht. Der 77-jährige Zeman macht aus seiner Unterstützung für Babis keinen Hehl.
Die Bürgerinnen und Bürger hatten von Freitag bis Samstagmittag Zeit, ihre Stimme abzugeben. Auch wenn Babis den Auftrag zur erneuten Regierungsbildung erhalten sollte, dürfte sich die Suche nach Koalitionspartnern schwierig gestalten. Die beiden grossen Oppositionsbündnisse haben eine Zusammenarbeit mit ihm bereits abgelehnt.
Es zeichnete sich eine höhere Beteiligung als bei der letzten Wahl vor vier Jahren ab. Sie dürfte bei knapp 65 Prozent liegen.