In der Nacht auf Freitag hat ein Tornado in Tschechien entlang der österreichischen Grenze mehrere Kleinstädte arg in Mitleidenschaft gezogen. ORF-Journalist Gernot Rohrhofer ist nach Moravská Nová Ves gereist.
SRF News: Wie sieht es in der Gegend um Moravská Nová Ves aus?
Gernot Rohrhofer: Wenn man diesen Vergleich wagen darf, muss man sagen, es sind Bilder, die man sonst nur aus Regionen der Welt kennt, wo derzeit Krieg herrscht: Trümmer, Strommasten liegen auf der Strasse. Dächer sind abgedeckt. Autos sind gestern während des Tornados durch die Luft geschleudert worden – sie liegen noch immer auf der Seite oder sogar auf dem Dach. Heute früh ist die Stimmung ähnlich wie in einer Geisterstadt.
Sie sitzen am Strassenrand, mit den Händen vor dem Gesicht, weinen. Sie sind verzweifelt.
Es sind ganz wenige Menschen hier. Vereinzelt kommen die ersten Hausbewohnerinnen und -bewohner. Sie haben gestern fluchtartig ihre Wohnungen verlassen. Ihnen ist der Schock noch immer ins Gesicht geschrieben. Sie sitzen am Strassenrand, mit den Händen vor dem Gesicht, weinen. Sie sind verzweifelt.
Was weiss man Genaues zum Tornado?
Ein Meteorologe hat gestern im tschechischen Fernsehen gesagt, dass der Tornado eine Stärke zwischen F3 und F4 gehabt haben dürfte. Das entspricht einer Geschwindigkeit von ungefähr 270 km/h bis 320 km/h.
Es hat viele Verletzte, offenbar auch Tote gegeben. Was können Sie dazu sagen?
Es gibt unterschiedliche Angaben und noch keine offizielle Bestätigung. Seit gestern Abend kursieren drei verschiedene Zahlen, nämlich fünf Tote und bei der Zahl der Verletzten eine Bandbreite zwischen 100 und 150 Verletzten.
Sind die Rettungsarbeiten bereits angelaufen?
Wir sind in der Nacht gegen ein Uhr angekommen. Da war es sehr ruhig. Wenn man das so sagen darf, war das vielleicht auch ein bisschen ein Bild der Überforderung. Die Menschen waren weg. Es waren auch keine Rettungskräfte hier zu sehen.
Sehr viele Häuser sind einsturzgefährdet.
Über Nacht ist nicht gearbeitet worden. Nach und nach kommen jetzt allen voran Polizeifahrzeuge. Sie kontrollieren, dass niemand in das betroffene Gebiet hineingeht, weil sehr viele Häuser einsturzgefährdet sind. Aber die grosse Rettungsaktion läuft noch nicht an. Gestern waren Einsatzkräfte aus Österreich, 42 Rettungsdienste und zwei Notarzthubschrauber, mit dabei. Diese werden heute nicht mehr gebraucht.
Hat man nicht mit einem Tornado in diesem Ausmass gerechnet?
Überhaupt nicht. Die Menschen haben gestern alles zurückgelassen. Die Autos sind nicht in Sicherheit gebracht worden. Ich glaube, dafür war einfach keine Zeit. Die Autos sind schwer beschädigt, oftmals auch mit Hageleinschlägen. Wie sehr die Menschen überrascht waren vom Tornado, hat sich auch im nördlichen Österreich gezeigt, konkret im Bundesland Niederösterreich im Weinviertel. Auch hier dürften Ausleger dieses Unwetters eine kleine Ortschaft gestreift haben. 500 Häuser gibt es dort, 250 Dächer und Dutzende Autos sind beschädigt worden.
Gibt es schon offizielle Stellungnahmen der Behörden zur Situation?
Ja, der Gesundheitsminister hat sich gestern noch zu Wort gemeldet: Es herrscht grosses Chaos und grosse Panik. Das zeigt sich auch an der Tatsache, dass hier eigentlich Stille herrscht, dass keine Einsatzkräfte da sind, die etwas aufräumen oder anpacken. Der Innenminister hat aber wiederum betont: «Alles, was Arme und Beine hat, fährt ins Krisengebiet.» Es gibt also zumindest die Zusage, dass Hilfe kommt.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.