Nach tödlichen Ausschreitungen bei Demonstrationen in der Türkei für den Schutz Kobanes hat sich Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hinter den Friedensprozess mit den Kurden gestellt. «Wir opfern den Friedensprozess keinem Vandalismus», sagte Davutoglu vor Journalisten in Ankara.
Vor allem am Dienstag und Mittwoch war es in der Türkei bei Demonstrationen zum Schutz der syrisch-kurdischen Stadt Kobane zu schweren Ausschreitungen gekommen. Insgesamt starben mindestens 22 Menschen. Viele Kurden werfen der türkischen Regierung vor, einem drohenden Massaker in Kobane durch die Terrormiliz IS tatenlos zuzusehen.
Erdogan nennt Kurden-Proteste «Schauspiel»
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte die Proteste als «Schauspiel», das zum Ziel habe, den Friedensprozess mit den Kurden in der Türkei zu sabotieren.
Der inhaftierte Chef der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, hatte vergangene Woche vor einem Ende des Friedensprozesses gewarnt, sollte es in Kobane zu einem Massaker kommen.
Der Ko-Chef der kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas, sagte in Diyarbakir, Öcalan sei nach wie vor offen für Friedensgespräche mit der türkischen Regierung. Die PKK hatte im März vergangenen Jahres einen Waffenstillstand im Kampf gegen die Regierung ausgerufen.
«Türkei ist in der Zwickmühle»
SRF-Korrespondentin Ruth Bosshart sieht die Türkei jedoch in keiner einfachen Lage: «Die aussenpolitische Untätigkeit hat zu innenpolitischen Schwierigkeiten geführt. Doch die Türkei ist in einer Zwickmühle: Greift sie militärisch in Kobane ein, könnte sie damit die syrischen Kurden stärken – das will Ankara auf jeden Fall vermeiden.»
Trotz rhetorischer Bemühungen um eine Deeskalation: Der fragile Friedensprozess im Land ist akut bedroht, der dreissig Jahre währende Konflikt zwischen den Parteien droht neu aufzuflammen.
Bosshart prognostiziert denn auch: «Aussenpolitisch wird die Türkei weiter lavieren, innenpolitisch mit massiver Repression gegenüber den Kurden reagieren.»
Syrische Regierung: Pufferzone verletzt territoriale Integrität
Syriens Regierung hat sich derweil mit scharfen Worten gegen eine Pufferzone im Grenzgebiet zur Türkei ausgesprochen. Vize- Aussenminister Faisal al-Mekdad kritisierte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana Frankreichs Staatspräsidenten François Hollande, der den türkischen Vorschlag unterstützt hatte. In einer Pufferzone zwischen Syrien und der Türkei könnten nach türkischen und französischen Angaben Flüchtlinge Schutz finden.
Die französische Unterstützung dieser Idee Ankaras wertet Damaskus als Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität Syriens. Der Türkei warf al-Mekdad erneut vor, «Terroristen» mit Waffen zu unterstützen. In Nordsyrien toben rund um die syrisch-kurdische Stadt Kobane derzeit heftige Kämpfe zwischen Kurden und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).