Das Problem: In Griechenland sind die Asylgesuche von türkischen Staatsbürgern sprunghaft angestiegen. Rund 2000 Türkinnen und Türken haben seit dem Putschversuch von 2016 Zuflucht gesucht. Das belastet die ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen Ankara und Athen.
Die Fluchtgründe: Die Menschen, die aus der Türkei nach Griechenland kommen, fliehen vor ihrem Staatschef Recep Tayyip Erdogan. «Unter ihnen sind viele Ärzte, Staatsanwälte, Lehrer, Richter, Ministerialbeamte und Verwaltungsangestellte», sagt Corinna Jessen, Journalistin in Athen. Sie sind Opfer der Entlassungswelle, die Erdogan nach dem missglückten Putsch lostrat. Über 150'000 Menschen verloren ihren Job, über 230'000 Türken wurde überdies der Reisepass entzogen. Der Vorwurf: Sie seien Anhänger des angeblich für den Putschversuch verantwortlichen Prediges Fethullah Gülen, oder sie unterstützten mit regimekritischem Verhalten den Terrorismus.
Die Lebensumstände: Die wenigsten der Flüchtlinge bleiben in den Lagern. Sie werden rasch registriert und nach Athen oder Thessaloniki gebracht. Denn viele von ihnen sind jung und gut ausgebildet. Nicht alle stellten denn auch einen Asylantrag, so Jessen: «Einige beantragen einfach eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis, schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durch oder zehren vom Ersparten.» In der Bevölkerung wird ihnen offenbar viel Sympathie entgegengebracht, weil sie – wie viele Griechen – Erdogan-Gegner sind.
Die Reaktion Athens: Die griechische Regierung versucht, die Sache «nicht an die grosse Glocke zu hängen», wie sich Jessen ausdrückt. «Man könnte fast sagen, die türkischen Flüchtlinge geniessen in Griechenland eine Art inoffizielle Duldung.» Auch in den Medien werden sie kaum thematisiert. «Man will offensichtlich alles vermeiden, was die Spannungen eskalieren lassen könnte.» Diese seien so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Insbesondere weil Athen acht türkische Armeeoffiziere, die nach dem missglückten Putsch per Helikopter nach Griechenland geflohen sind, nicht an Ankara ausliefert.
Die Reaktion Ankaras: Die Türkei hat vor gut einem Monat ihrerseits zwei griechische Armeeangehörige festgesetzt. Nach eigenen Aussagen hatten sie sich bei einer Grenzpatrouille auf türkischen Boden verirrt. «Normalerweise wird so etwas unbürokratisch gelöst», erklärt Jessen. «Aber in der momentanen Situation hält sich die Türkei diese Griechen offensichtlich als Faustpfand.» Vor diesem Hintergrund sind türkische Flüchtlinge ein heisses Eisen.