- In der irakischen Hauptstadt Bagdad haben Demonstranten das Parlament gestürmt und einen Sitzstreik begonnen.
- Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gab es mindestens 125 Verletzte.
- Bereits am Mittwoch hatten Unterstützer des einflussreichen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr das Parlament gestürmt.
Wie Augenzeugen berichteten, versuchten Sicherheitskräfte die zahlreichen Anhänger Al-Sadrs zuvor an der hoch gesicherten Grünen Zone mit Tränengas zurückzudrängen. In der rund zehn Quadratkilometer grossen Grünen Zone im Zentrum Bagdads befinden sich zahlreiche Regierungseinrichtungen und das irakische Parlament sowie mehrere Botschaften, darunter auch die diplomatische Vertretung der USA.
In einem Machtkampf will die Al-Sadr-Bewegung verhindern, dass ihre politischen Gegner um Ex-Regierungschef Nuri al-Maliki eine Regierung bilden können. Die Rivalen des 47 Jahre alten Religionsführers hatten gut zehn Monate nach der Parlamentswahl vor kurzem einen Kandidaten als Premier vorgestellt. Aus Sicht Al-Sadrs steht aber der für das Amt vorgesehene ehemalige Minister Mohammed Schia al-Sudani dem Ex-Premier Al-Maliki viel zu nahe. Al-Sadr und Al-Maliki sind verfeindet. Ausserdem sympathisieren Al-Maliki und dessen Allianz offen mit dem Nachbarland Iran.
Premierminister ruft politische Lager zum Dialog auf
Das Bündnis um Al-Maliki protestierte scharf gegen den Sitzstreik: «Der Staat, seine Legitimität, die verfassungsmässigen Institutionen und der staatsbürgerliche Friede stehen auf dem Spiel», hiess es in einer Mitteilung. Der amtierende Premierminister Mustafa al-Kasimi rief die politischen Lager zum Dialog auf. «Ich appelliere an alle, Ruhe, Vernunft und Geduld walten zu lassen und sich nicht zur Machtprobe hinreissen zu lassen.»
Beim ersten Sturm auf das Parlament am Mittwoch war auf Fernsehbildern zu sehen, wie Menschen im Plenarsaal die irakische Flagge schwenkten, bevor sie sich kurze Zeit später wieder zurückzogen.
Im Irak tobt seit der Parlamentswahl im Oktober 2021 ein Machtkampf. Al-Sadrs Liste hatte damals die meisten Sitze gewonnen und bemühte sich um eine Regierungsbildung. Zuletzt trat er jedoch mit seiner Partei geschlossen aus dem Parlament zurück. Experten zufolge liegt al-Sadrs Stärke insbesondere darin, Menschenmassen mobilisieren zu können. Seinen Rückzug aus der Politik deuteten daher einige Beobachter als Schachzug, um Parteien und Politiker unter Druck zu setzen. Viele Iraker haben inzwischen nur noch wenig Vertrauen in die Politik, nachdem das ölreiche Land seit Jahren mit wirtschaftlichen und politischen Krisen zu kämpfen hat.