Eine Stunde lang kreuzten die beiden Kandidaten für die Nachfolge von Theresa May als britische Premierministerin am Dienstagabend die Klingen; die wohl einzige richtige Debatte im Flimmerkasten brachte den Favoriten, Boris Johnson, gelegentlich ins Trudeln, aber sein Widersacher, Jeremy Hunt, vermochte seinen bisherigen Rückstand wohl nicht auszugleichen.
Männlichkeitstest
Die beiden überboten sich gegenseitig mit dem Versprechen, den Brexit bis Ende Oktober zu verwirklichen. Hunt will sich zwar ein wenig Spielraum geben, wenn die Verhandlungen günstig laufen, aber auch seine Flexibilität ist gering.
Beide Männer zeichneten erneut Einhörner, frohsinnige aber unrealistische Szenarien, wie sie die EU zu Konzessionen bewegen könnten. Johnson will die EU mit glaubwürdigen Vorbereitungen auf den drohenden vertragslosen Zustand beeindrucken – dann werde Brüssel schon einlenken. Und wenn nicht, seien die Kosten «verschwindend gering».
Appell an ein kleines Wahlgremium
Das Duell erinnerte gelegentlich an den Streit zweier Glatzköpfe um einen Kamm. Das kam nicht von ungefähr, denn sie appellierten ja nicht an die Fernsehzuschauer, die kein Stimmrecht haben, sondern an die rund 160'000 Mitglieder der Konservativen Partei, die bereits seit einigen Tagen ihre Wahlzettel ausfüllen.
Sie wollen, das belegen zahlreiche Umfragen, den Brexit um jeden Preis und das so bald wie möglich. Die Attacken des amtierenden Aussenministers Hunt auf seinen Amtsvorgänger Johnson trafen zwar wunde Punkte, aber die konservative Basis liebt Boris – weil er sie zum Lachen bringt.
Optimismus als Elixier
Hunt versprach, den Wählern auch unangenehme Wahrheiten zu sagen, während Johnson doch nur Frohsinn verbreite. Er suche das Amt nicht um seiner selbst willen, sondern weil er etwas verändern wolle. Tatsächlich befürchten Johnsons Kritiker, bei ihm verhalte es sich umgekehrt.
Doch bei aller Berechtigung von Hunts Zweifeln: Er wirkt weiterhin als trockener Manager. Er muss den Ruch des Konvertiten zum Brexit-Glauben abstreifen; seine Bereitschaft, den Austritt wenn nötig erneut ein wenig aufzuschieben, stösst bei der Basis kaum auf Begeisterung.
Johnson blieb manche Antwort schuldig, er hätte – ausser dem bedingungslosen Austritt Ende Oktober – kaum Fesseln, wohin er das Land schliesslich führte. Am 23. Juli werden wir erfahren, wer das Vereinigte Königreich in turbulente Zeiten führen wird.