Als in der Nacht auf den 24. Februar 2022 der Krieg begann, hat Max seine Sachen gepackt und ist gegangen. Seine Frau erzählt: «Er packte ganz ruhig, zog seine Uniform an und nahm seine Waffe. Die Kinder haben noch geschlafen, ich habe mich von ihm verabschiedet, da begann schon der Beschuss.» Marina und Max haben drei Kinder. Er hatte schon früher im Osten gegen prorussische Separatisten gekämpft. Nun zog er los, um den russischen Grossangriff abzuwehren.
«Ich ging mit den Kindern in den Bombenkeller unseres Hauses. Ich hatte eine Granate dabei, für den Fall, dass die Russen gekommen wären.» Doch Kiew hielt Stand. Die Angreifer konnten die Stadt nicht einnehmen. Nach zwei Wochen floh Marina mit den Kindern vorübergehend in die Westukraine. Max kämpfte da schon. «Er war erst bei Kiew im Einsatz, dann im Osten, manchmal habe ich wochenlang nichts von ihm gehört. Dann kamen Nachrichten von unbekannten Nummern. Ich wusste, das ist von ihm. Er schrieb nur: ‹Ich lebe›.»
Über all die Zeit hat Marina, die Vollzeit als Kulturjournalistin arbeitet, die Kinder ohne ihren Mann betreut. Aber allein ist sie nicht. «Ich habe mich mit Frauen umgeben, die mich verstehen. Frauen von Soldaten, Journalistinnen oder einfach Freundinnen. Sie können einspringen, wenn es nötig ist.»
Glück auch für Marina: Inzwischen ist Max vorübergehend in der Region Kiew stationiert. Ab und zu können sich die beiden sehen, manchmal kommt er sogar kurz nach Hause.
Frau und Kind sind in Polen
Seine Frau schon seit Kriegsbeginn nicht mehr gesehen hat Wladislaw. Er dient als freiwilliger Sanitäter an der Front. Nun hat er ein paar Tage Ausbildung in Kiew. Frau und Kind aber sind in Polen. Nicht mal ein kurzes Treffen in der Westukraine lässt sich organisieren. «Ich kann nicht planen, dass ich an diesem oder jenem Datum zum Beispiel in Lwiw bin. Ich weiss ja nicht mal, was morgen oder übermorgen ist.»
Auch Wladislaw hat vor dem Krieg als Journalist gearbeitet. Nun riskiert er sein Leben, um verletzte Soldaten zu retten. Und Vater ist er nur noch auf Distanz. «Ich sehe meinen Sohn auf Fotos oder wenn wir mit Video telefonieren. Aber ich kann ihn nicht in den Arm nehmen, ich kann ihm nicht eine Gutenachtgeschichte vorlesen.»
Die Familie ist seit bald zwei Jahren getrennt. Zwei Jahre seien doch für ein Kind ein halbes Leben, es wachse, verändere sich, sagt Wladislaw. «Und auch ich bin ein anderer als vor dem Krieg. Um an der Front zu überleben, musst du ein anderer Mensch werden. Und die Rückkehr zur Familie wäre eine Rückkehr ins zivile Leben, in das Leben, das ich früher hatte.»
Russlands Krieg gegen die Ukraine bringt Tod und Zerstörung. Und er zerreisst Familien, hunderttausende sind betroffen, Menschen, wie Marina und Wladislaw, die diese schreckliche Zeit ohne ihre Liebsten schaffen müssen.