- Thomas Kemmerich setzte sich im dritten Wahlgang gegen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch – mit Stimmen der rechtspopulistischen AfD.
- Der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erhielt im dritten Wahlgang keine Stimme.
- Kemmerich ist erst der zweite Ministerpräsident der FDP in der Geschichte der Bundesrepublik.
Die Entscheidung zwischen Kemmerich und Ramelow fiel denkbar knapp aus. Auf den bisherigen Regierungschef entfielen 44 Stimmen, Kemmerich erhielt 45. Es gab eine Enthaltung. «Das ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde», sagte der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).
Ramelow vom Wahlsieger zum Wahlverlierer
Die Thüringer FDP hatte den Einzug ins Parlament bei der Wahl am 27. Oktober nur knapp geschafft und die Fünf-Prozent-Hürde um nur 73 Stimmen übersprungen. Im Landtag hat sie nur 5 von 90 Sitzen.
Bodo Ramelow war seit 2014 Regierungschef des Freistaats und der erste Ministerpräsident der Linken in Deutschland. Ramelows Linke hatte zwar mit 31 Prozent die Landtagswahl im Herbst klar gewonnen, doch seine Koalitionspartner SPD und Grüne verloren deutlich. Im Landtag hat Rot-Rot-Grün nur noch 42 von 90 Sitzen. Dennoch hatten die bisherigen Koalitionspartner am Dienstag einen neuen Regierungsvertrag unterschrieben.
Kemmerich stieg erst im dritten Wahlgang ein
Christdemokraten und Liberale wollten Ramelow nicht wählen, hatten aber auch kategorisch ausgeschlossen, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Gemeinsam kommen die drei Fraktionen auf 48 Sitze für Mitte-Rechts.
Weil Ramelow keine Mehrheit hatte, hatte auch die AfD mit dem parteilosen Kindervater einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt. Nachdem Ramelow in den beiden ersten Wahlgängen erwartungsgemäss die absolute Mehrheit verfehlt hatte, warf Kemmerich im dritten Wahlgang ebenfalls seinen Hut in den Ring.
Kritik und Mahnung
Thüringens CDU-Vorsitzender Mike Mohring sagte zur Wahl von Kemmerich, dass dieser nun deutlich machen müsse, «dass es keine Koalition mit der AfD gibt». Er bestätigte, dass seine Fraktion im dritten Wahlgang Kemmerich unterstützt habe.
Auf eine Mehrheit kam der FDP-Politiker in geheimer Wahl mutmasslich aber nur mit Hilfe der AfD, der zweitstärksten Fraktion. Darauf angesprochen sagte Mohring: «Wir sind nicht verantwortlich für das Wahlverhalten anderer Parteien.»
Christian Hirte (CDU), Ost-Beauftragter der Bundesregierung und CDU-Vize-Chef von Thüringen erklärte auf Twitter, dass die Wahl Kemmerichs als Kandidat der Mitte noch einmal gezeigt habe, dass die Thüringer Rot-Rot-Grün abgewählt hätten.
Für den deutschen Aussenminister Heiko Maas (SPD) hingegen sei es komplett verantwortungslos, sich von Rechtspopulisten zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen. «Gegen die AfD müssen alle Demokraten geschlossen zusammenstehen. Wer das nicht versteht, hat aus unserer Geschichte nichts gelernt», erklärte er auf Twitter.
Auch Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel geht mit CDU und FDP auf Twitter hart ins Gericht. Er glaubt nicht, dass die beiden Parteien nichts von der Zustimmung der AfD gewusst haben.
Linken-Chef Bernd Riexinger nennt das Ergebnis einen «Dammbruch». FDP und CDU würden zum Steigbügelhalter der AfD.
Die Fraktionschefin der AfD im Deutschen Bundestag, Alice Weidel, sieht ihre Partei nun erstarkt. «An der AfD führt kein Weg mehr vorbei», schreibt sie auf Twitter.