Im ostdeutschen Bundesland Thüringen wagen einige CDU-Politiker den Tabubruch und fordern Gespräche mit der rechtspopulistischen AfD über eine mögliche Regierungsbildung. Sie stechen damit in ein Wespennest, wie der ARD-Journalist Georg Schwarte weiss.
SRF News: Wieso kommen für die CDU-Zentrale in Berlin Gespräche mit der AfD nicht infrage?
Georg Schwarte: Es gibt einen Parteitagsbeschluss der Bundes-CDU, wonach es keine wie auch immer geartete Kooperation mit den beiden Polen Linkspartei und AfD gebe. Darauf berief sich CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bei seiner Antwort auf entsprechende Anfragen von Kommunalpolitikern aus Thüringen.
Könnte diese Diskussion für die CDU zu einer Zerreissprobe werden?
Das ist durchaus möglich, falls die CDU in Thüringen tatsächlich den Aufstand proben sollte.
Es stellt sich die Frage, ob man die AfD ausgrenzen soll – oder einbinden und damit entzaubern.
Fast ein Viertel der Wählerinnen und Wähler hat in Thüringen die AfD gewählt. Gleichzeitig verliert die CDU immer mehr Wähleranteile. Wie lange kann es sich Merkels Partei noch leisten, jede Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen AfD auszuschliessen?
Das ist genau jene Kerbe, welche die 17 CDU-Politiker geschlagen haben, als sie Gespräche mit der AfD verlangten. Sie argumentierten, es könne nicht sein, dass fast ein Viertel der Wählerstimmen aussen vorbliebe. Ob die Idee, die AfD langfristig auszuschliessen, tatsächlich tragfähig ist, wird derzeit in Berlin breit diskutiert: Es stellt sich die Frage, ob man sie ausgrenzen soll – oder aber einbinden und dadurch ein stückweit entzaubern.
Gerade in der CDU stehen gewisse Exponenten inhaltlich nicht weit entfernt von der AfD…
Das ist so. Deshalb war die Reaktion der AfD auf den Vorstoss der 17 thüringischen Politiker auch keineswegs negativ. So hiess es von Seiten der AfD, die CDU habe längerfristig nur zwei Möglichkeiten: Entweder, sich im «links-grünen Mainstream zu positionieren und unterzugehen», oder sich auf die «alten, bürgerlichen Qualitäten zurückzubesinnen». Und übrigens seien bürgerliche Mehrheiten auf Dauer nur mit der AfD möglich. Dem würden weite Teile der CDU sicher deutlich widersprechen. In ihren Augen ist die AfD alles andere als eine bürgerliche Partei.
Welche Folgen hätte es für die gesamtdeutsche Politik, wenn die CDU im kleinen Thüringen mit der AfD zusammenarbeiten würde?
Selbst wenn die AfD in Thüringen eine Minderheitsregierung bloss dulden würde – wenn beispielsweise eine Regierung aus CDU und FDP keine Mehrheit hätte, die AfD aber nicht gegen ihre Projekte Opposition machen würde – wäre das ein Dammbruch. Es käme in Deutschland zu riesigen Diskussionen und in Berlin zu Verwerfungen. Entsprechend äussern sich die Landesverbände der CDU äusserst deutlich.
In Berlin käme es zu Verwerfungen.
Aus Niedersachsen hiess es etwa, die CDU werde «nicht Steigbügelhalterin von extremen Populisten sein». Auch vom Zentralrat der Juden in Deutschland hiess es, die Forderung der 17 CDU-Politiker aus Thüringen sei «verantwortungslos». Er erinnerte an die Weimarer Republik, als die Nazis die Macht unter Mithilfe der konservativen Parteien übernehmen konnten. Schliesslich hätten sich die Menschen damals «furchtbar geirrt», so der Zentralratspräsident.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.