Der Wasserpegel in Pakistan sinkt nur langsam. Die Zerstörung ist gewaltig. Rund 33 Millionen Menschen sind betroffen. Mehr als 1100 kamen in den Fluten um. Fast eine Million Häuser wurden zerstört. Tausende Kilometer Strasse sind unbrauchbar. Mittlerweile sind viele Hilfsorganisationen aktiv geworden. Darunter auch Solidar Suisse. Wie ihre Hilfe aussieht, erklärt Felix Gnehm. Er ist Direktor der Hilfsorganisation.
SRF News: Wie reagiert Solidar Suisse als Schweizer Hilfsorganisation auf eine solche Katastrophe?
Felix Gnehm: Solidar Suisse hat diese Woche entschieden, humanitär aktiv zu werden. Wir stehen mit unseren Partnern vor Ort und unseren Büromitarbeitenden im Austausch. Die bereits laufende Nothilfe zur dringlichen Versorgung der lokalen Bevölkerung treiben wir voran. Wir haben ein Büro in Pakistan. Wir sind bereit, diese Nothilfe schnell aufzuziehen. Dazu braucht es Präsenz vor Ort, Kontextkenntnisse und Logistik.
Was brauchen die Menschen am dringendsten?
Am dringendsten brauchen sie Essen. Sie brauchen aber auch Futter für ihre Tiere, medizinische Versorgung, sauberes Trinkwasser, Orientierung und ein sicheres Dach über dem Kopf.
Viele Leute sind derzeit unterwegs oder sie campen beispielsweise an Wegrändern. Sie versuchen, in Städte zu kommen. Viele Strassen sind unpassierbar. Wie erreichen Sie die Menschen?
Das ist schwierig. Ein Drittel des Landes ist unter Wasser. Nicht nur Felder sind überschwemmt, sondern ganze Stadt- und Dorfteile. Strassenbrücken sind weggeschwemmt. Wir sind angewiesen auf Hilfe von der Armee, dass die Brücken wieder instand gestellt werden.
Ganze Stadt- und Dorfteile sind überschwemmt.
Meist gelangt man zu den Menschen, weil sie sich selber helfen. Sie haben Seilzüge über die Flüsse gebaut und bringen sich so in Sicherheit. Es braucht Zeit, die Dörfer zu erreichen. Aber irgendwie gelangen wir an viele Orte.
Wie gut ist die Zusammenarbeit mit den pakistanischen Behörden?
Pakistan ist ein gut organisiertes Land bezüglich humanitärer Hilfe. Deswegen wird die Koordination wohl wie bei den letzten grossen Katastrophen laufen. Die Lokalregierungen und die Provinzregierungen koordinieren viel. Die UNO ist vor Ort, aber auch das Militär. Und in diesem Fall hat Pakistan direkt nach internationaler Hilfe gerufen. Das ist unüblich, weil die pakistanische Regierung Stärke signalisieren will. Ich rechne mit guter Kooperation.
Wurden Präventivmassnahmen getroffen?
Nein. Pakistan hätte mit ökologischen Massnahmen, Wiederaufforstung, den Flüssen Raum geben oder Kleindämmen ganz viel tun können. Es gäbe eine bessere Prävention.
Kein Land ist ganz vorbereitet auf solche Grosskatastrophen.
Aber man muss auch sagen, das ist eine globale Dimension. Die Klimaerwärmung treibt diese Extremereignisse voran. Die Himalaya-Gletscherschmelze und die vielen Regenfälle sind nicht von Pakistan verschuldet. Von dem her kann niemand etwas gegen dieses Monsterereignis tun. Kein Land ist ganz vorbereitet auf solche Grosskatastrophen.
Was sind die längerfristigen Perspektiven? Wo muss man ansetzen?
Einerseits bei den einzelnen Haushalten. Die Menschen wollen ihre Lebensgrundlage zurück. Sie müssen ihre Felder wieder bewirtschaften können, müssen wieder sichere Behausung haben.
Wir rechnen mit einer langen Wiederaufbauphase.
Aber auch die öffentliche Infrastruktur; viele Schulen wurden überschwemmt und zerstört. Es wird Jahre dauern, Spitäler und Schulen wieder aufzubauen. Wir rechnen mit einer langen Wiederaufbauphase. Wir müssen an alles denken: Infrastruktur, Strom, Mobilnetz, Strassen etc.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.