Mehrere hundert österreichische Polizisten und Soldaten üben zur Zeit an der Grenze zu Slowenien die Abwehr von Flüchtlingen. Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sagte: «Ein Staat, der im Fall der Fälle seine Grenzen nicht effektiv schützen kann, der verliert seine Glaubwürdigkeit.»
Die Übung, bei der ein Flüchtlingsansturm fingiert wird und mehrere gewaltfreie Szenarien zur Bewältigung durchgespielt werden, findet am Grenzort Spielfeld statt. Dort waren im Sommer 2015 Tausende von Menschen über die Grenze gekommen und dabei oft nicht registriert worden. SRF-Korrespondent Peter Balzli erklärt die Hintergründe für die Übung.
SRF News: Was wird konkret geübt in Spielfeld?
Peter Balzli: Geübt wird ein Grenzübertritt von mehreren Hundert Migrantinnen und Migranten auf einmal, so wie es 2015 in Spielfeld tatsächlich passiert ist. Damals wurden die Migranten ins Land gelassen. Jetzt soll geübt werden, wie man sie stoppen könnte. Die Migranten werden gespielt von rund 200 Polizeischülern. 200 Soldaten und 300 Polizisten sollen deren Einreise verhindern.
Es geht auch darum die neue Sondereinheit Puma vorzustellen, welche die neue Regierung für den Grenzschutz gegründet und ausgebildet hat.
Es soll also ein Kontrollverlust wie 2015 verhindern: Ist es momentan überhaupt realistisch, dass so viele Migranten versuchen, nach Österreich zu gelangen?
Ja, das ist realistisch. Geübt wird ja der Grenzübertritt von 200 Flüchtlingen. Tatsache ist: Seit ein paar Wochen steigt die Anzahl Flüchtlinge, die versuchen über Bosnien und Kroatien nach Österreich einzureisen. Ein paar Hundert warten derzeit in Grenzorten in Bosnien – teilweise unter schockierenden Bedingungen.
Aber man muss betonen: Es sind ein paar Hundert und nicht ein paar Tausend wie dies 2015 in Spielfeld der Fall war. Damals wurden die Behörden ja völlig überrumpelt.
Man muss auch den Zeitpunkt dieser Übungen ansprechen: Österreich veranstaltet diese Grenzschutzübung kurz vor dem EU-Flüchtlingsgipfel. Handelt es sich auch um ein aussenpolitisches Signal?
Der österreichische Vizekanzler Heinz Christian Strache hat diesen Zusammenhang selbst hergestellt. Zur deutschen «Bild»-Zeitung sagte er, Hintergrund der Übung sei «die Debatte um innereuropäische Grenzschliessungen ausgelöst von Deutschland».
Ziel der österreichischen Regierung ist es, die europäische Flüchtlingspolitik zu reformieren.
Klar ist aber auch: Es ist das erklärte Ziel der österreichischen Regierung, die europäische Flüchtlingspolitik zu reformieren: weg vom Wunsch nach Verteilung der Flüchtlinge in ganz Europa, hin zu einem viel stärkeren Schutz der Grenzen. Dafür sammelt die Regierung derzeit Verbündete in der Europäischen Union.
Die Aussenwirkung ist also die, dass einzelne EU-Staaten ihren Grenzschutz jetzt wieder in die eigenen Hände nehmen und nicht der EU überlassen sollen, die das offensichtlich nicht schafft.
Und die innenpolitische Wirkung?
Im Wahlkampf letzten Herbst waren Flüchtlinge und Einwanderung das dominierende Thema. Beide Regierungsparteien haben die Wahlen mit diesem Thema gewonnen. Sie wollen nun ihren Wählern demonstrieren, dass sie ihre Wahlversprechen einlösen.
Wie kommt die Übung in der Bevölkerung an?
Überwiegend gut. Ganz anders in Slowenien: Die dortige Polizei hat sie als sinnlose Übung verurteilt, die sicher nicht zum guten Verhältnis zwischen den beiden Ländern beitrage. Die Übung war ja ursprünglich einen Tag vorher geplant gewesen, einem wichtigen slowenischen Feiertag.
Das Gespräch führte Joël Hafner.