Um 23:48 Uhr, also erst in den allerletzten Minuten ihres letzten Amtstages, liess die nun abgetretene UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, den brisanten Bericht über die Menschenrechtslage in China veröffentlichen. Ohne Pressekonferenz, ohne Stellungnahme. Es wirkt fast so, als wollte die UNO ihrem eigenen Bericht möglichst wenig Sichtbarkeit geben. Dies, nachdem dessen Publikation, obschon er längst fertig recherchiert und geschrieben war, immer und immer wieder verschoben wurde.
Sprengkraft hat das 45-seitige Dokument trotzdem. Und zwar obschon es in der Sache kaum Neues enthält. Hingegen bestätigt die UNO jetzt erstmals all das, was Interessenvertreter der Uiguren und Menschenrechtsorganisationen seit Jahren beklagen und dokumentieren – dass nämlich China gegenüber seiner muslimischen Minderheit Menschenrechtsverbrechen begeht.
Türöffner für internationale Prozesse
Anders als etwa die amerikanische und andere Regierungen spricht zwar das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte nicht von Völkermord. Aber es kritisiert willkürliche Inhaftierungen, Diskriminierung und den Entzug fundamentaler Rechte.
Mit dem UNO-Bericht erhält die Verurteilung des Verhaltens Pekings das offizielle Siegel der Weltorganisation, in der China selber eine zentrale Rolle spielt. Das Papier öffnet, zumindest theoretisch, auch die Tür für internationale Prozesse gegen die Drahtzieher der Unterdrückung der Uiguren.
Dilemma für die UNO
In einem Anhang zum UNO-Bericht verwirft die chinesische Regierung diesen in Bausch und Bogen. Es handle sich um Lügen und haltlose Angriffe auf China. Menschenrechtsorganisationen jedoch begrüssen die Veröffentlichung. Besser spät als nie, so der Tenor.
UNO-Hochkommissarin Bachelet stand, wie sie dieser Tage einräumte, unter enormem Druck. China und Regime, die sich hinter China stellten, wollten unbedingt verhindern, dass sie den Bericht ihrer Behörde öffentlich macht. Vor allem westliche Regierungen und Nichtregierungsorganisationen hingegen drängten sie dazu.
Das Dilemma für die UNO: Die Supermacht China und in deren Gefolge zahlreiche weitere Länder könnten sich künftig weigern, mit dem Hochkommissariat für Menschenrechte und dem UNO-Menschenrechtsrat zusammenzuarbeiten – die Universalität, ein zentrales UNO-Prinzip, ist in Gefahr. Umgekehrt hätte eine Nichtveröffentlichung dieses Berichts die Glaubwürdigkeit der UNO fundamental und nachhaltig beschädigt.