«Oreschnik» soll die neue russische Wunderwaffe heissen. Zu Deutsch: Haselnuss. Das hat der russische Präsident Wladimir Putin in einer Ansprache verkündet. Die Rakete fliege mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit und keine westliche Flugabwehr könne sie abschiessen. So weit, was Putin sagt.
Was man weiss: Eingeschlagen hat eine Rakete am Donnerstagmorgen in der ukrainischen Grossstadt Dnipro. Auf Videos sieht man, dass mehrere grosse Sprengsätze sich voneinander lösen, kurz nacheinander niederregnen und Explosionen auslösen. Angegriffen wurde offenbar ein Industrieareal, auf dem die Ukrainer auch Waffen produzieren.
Die ukrainische Armee hatte zunächst von einer Interkontinentalrakete gesprochen. Das sind die riesigen Geschosse, die der Kreml gerne an Militärparaden über den Roten Platz fahren lässt. Und es sind die Raketen, mit denen der Kreml im Ernstfall Atombomben rund um den Erdball schicken kann – Waffen für den Weltuntergang also.
Putin rasselt mit dem nuklearen Säbel
Ob die heutige Rakete, diese Haselnuss, nun eine russische Neuentwicklung ist oder eine umgebaute Interkontinentalrakete, so genau weiss man das nicht. Militärisch macht es aber wenig Sinn, ein so exklusives Geschoss auf eine ukrainische Waffenfabrik zu feuern. Zu teuer und mutmasslich zu ungenau. Zudem können die Ukrainer und ihre westlichen Verbündeten die Trümmer analysieren. Dem Kreml ging es bei dem Schlag um Symbolik. Denn die Haselnuss kann wahrscheinlich auch atomare Sprengsätze transportieren. Interkontinentalraketen sind ja genau dafür gemacht.
Putin rasselt also einmal mehr mit seinem nuklearen Säbel. Schon mehrfach hat er mit Russlands Atomarsenal gedroht. Und er zielt auch auf die westlichen Verbündeten der Ukraine. Russland habe das Recht, seine «Waffen gegen Militäreinrichtungen jener Länder einzusetzen, die erlauben, dass ihre Waffen gegen unsere Einrichtungen eingesetzt werden», so Putin in seiner Ansprache. Der russische Präsident stellt die Attacke von heute also als Reaktion darauf dar, dass die Ukrainer seit kurzem mit weitreichenden westlichen Waffen auf russisches Territorium schiessen dürfen. Ein Thema, das den Russen offenkundig weh tut. Die ukrainische Armee hat in den letzten Tagen bereits erfolgreich ein russisches Waffenlager und eine Kommandozentrale der Invasionsarmee in Russland angegriffen.
Putin mag skrupellos sein – verrückt ist er nicht
Man kann feststellen: Der Krieg eskaliert weiter. Es kommen potentere Waffen zum Einsatz, solche, die weiter fliegen. Düster spricht Putin von einem «globalen Charakter», den der Konflikt inzwischen habe. Das tönt nach Weltkrieg. Das macht vielen – auch bei uns in der Schweiz – Angst. Das ist genau, was Putin mit seiner Haselnuss erreichen will. Er will im Westen Furcht auslösen, damit dieser die Ukraine weniger unterstützt. Das ist psychologische Kriegsführung, eine Drohung – höchstwahrscheinlich eine leere. Denn, Putin mag skrupellos sein, aber verrückt ist er nicht. Bisher haben die Russen alles getan, um eine direkte militärische Konfrontation mit der Nato zu verhindern. So auch dieses Mal. Sie haben offenbar die Amerikaner vorab gewarnt, dass sie die Haselnuss abschiessen, damit die US-Armee nicht aus einem Missverständnis atomar zurückschiesst.