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Nato, Aufrüstung, Rohstoffe Selenskis «Siegesplan» in fünf Punkten erklärt

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat seinen «Siegesplan» für die Beendigung des Krieges mit Russland in Kiew präsentiert. Zentral ist dabei eine schnelle Einladung zum Beitritt in das westliche Militärbündnis Nato. Die fünf Punkte des Plans im Überblick.

1. Einladung in die Nato

In der Nato gibt es keinen Konsens in dieser Frage. Zwar betont die Nato-Führung regelmässig, dass Kiew zukünftig dem Bündnis beitreten kann. Doch sprechen sich mehrere Bündnisstaaten öffentlich gegen eine solche Beitrittsperspektive aus. Eines der deklarierten Kriegsziele Moskaus ist es auch, einen neutralen Status der Ukraine zu erzwingen.

«Dieser Plan wird auf absehbare Zeit kaum umgesetzt»

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Ukraine-Korrespondent David Nauer schätzt die Chancen auf eine Verwirklichung des Plans wie folgt ein:

«Der Siegesplan von Präsident Selenski könnte funktionieren. Eine massiv aufgerüstet Ukraine – ausgestattet mit westlichen Sicherheitsgarantien – könnte Russland tatsächlich dazu zwingen, seinen Angriffskrieg einzustellen. Das Problem: Dieser sogenannte Siegesplan wird auf absehbare Zeit kaum umgesetzt.

Weder Amerikaner noch Europäer sind nämlich bereit, ihre Waffenhilfe für die Ukraine massiv hochzuschrauben. Zu teuer wäre das nach Einschätzung vieler westlicher Regierungen. Und zu riskant auch, weil Russland ja immerhin Atommacht ist. Den Ukrainern bleibt deshalb wohl nichts anderes übrig, als mit dem weiterzukämpfen, was sie haben, und zu hoffen, dass sie die Front halten können.»

2. Den Krieg nach Russland tragen

Ein zweiter Punkt sieht eine Stärkung der Verteidigung vor. Zudem soll der Krieg auf das Gebiet Russlands ausgeweitet werden. «Das ist realistisch – unsere Positionen auf dem Schlachtfeld in der Ukraine halten und gleichzeitig den Krieg auf das Gebiet Russlands zurückbringen, damit die Russen wirklich spüren, was Krieg heisst», sagte Selenski. Ziel sei es, den Hass der Russen in Richtung des Kremls zu lenken. Zu diesem Zweck soll die seit August laufende Operation der ukrainischen Armee im russischen Grenzgebiet Kursk fortgesetzt werden. Für die Umsetzung dieses Punkts ist auch eine Freigabe für den Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet erforderlich.

Mann spricht im Parlament am Rednerpult.
Legende: «Im Verlauf von Jahrzehnten hat Russland die geopolitische Unbestimmtheit in Europa und eben die Tatsache ausgenutzt, dass die Ukraine kein Mitglied der Nato ist», sagte der Staatschef im Parlament vor den Abgeordneten und der versammelten Landesführung. EPA/UKRAINE PRESIDENTIAL PRESS SERVICE HANDOUT

3. Die Ukraine zur Abschreckung aufrüsten

Ausserdem sollen in der Ukraine mit der Hilfe westlicher Partner ausreichend konventionelle Waffen produziert und stationiert werden, um Russland von weiteren Angriffen abzuhalten. «Wenn Russland weiss, dass es eine Antwort geben wird und begreift, wie diese Antwort aussieht, wählt es Verhandlungen und eine stabile Koexistenz sogar mit strategischen Gegnern», erläuterte der Präsident das Vorhaben. Frieden solle so durch Stärke erzwungen werden. Zwar fangen viele westliche Rüstungsfirmen an, in der Ukraine zu produzieren. Die notwendige Finanzierung erhofft sich Selenski aber von den westlichen Staaten. Nach mehr als zweieinhalb Jahren beispielloser Hilfe fahren Länder wie die USA und Deutschland allmählich ihre Unterstützung zurück.

Nato macht Ukraine keine Hoffnung auf schnelle Einladung

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Der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat zurückhaltend auf den ukrainischen Wunsch nach einer schnellen Einladung zum Beitritt in das westliche Militärbündnis reagiert. Rutte verwies bei einer Pressekonferenz in Brüssel auf die Beschlüsse des jüngsten Nato-Gipfels in Washington.

Bei ihm hatten sich Befürworter einer schnellen Einladung nicht gegen Gegner wie die USA und Deutschland durchsetzen können. Die Bündnisstaaten konnten sich lediglich darauf verständigen, der Ukraine allgemein zuzusichern, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufzuhalten sei. Zugleich wurde in der Gipfelerklärung noch einmal explizit betont, dass eine formelle Einladung zum Beitritt erst ausgesprochen werden kann, wenn alle Alliierten zustimmen und alle Aufnahmebedingungen erfüllt sind.

4. Zugriff auf ukrainische Rohstoffe

Die Ukraine verfüge über wertvolle Rohstoffe «im Wert von Billionen US-Dollar», sagte Selenski. Als Beispiele nannte er Uran, Titan, Lithium und Graphit. Die Frage sei, ob diese Ressourcen im globalen Wettbewerb an Russland und dessen Verbündete fielen oder bei der Ukraine und – wie er sagte – der demokratischen Welt verblieben. Mit diesem Vorschlag versucht Selenski, die westlichen Partner zu locken. Auch in Moskau wird oft damit argumentiert, dass Russland sich diese Rohstoffe sichern müsse.

5. Ukraine als europäische Sicherheitsmacht

Die Ukraine werde nach einem Ende des russischen Angriffskrieges ihre militärische Erfahrung für die Sicherheit Europas und der Nato nutzen, so Selenski. Ihre Soldaten könnten in Europa sogar US-Truppen ersetzen. Dieser Vorschlag zielt offenbar auf die USA. Diese hoffen, ihr Engagement auf dem europäischen Kontinent zurückfahren zu können – ob unter republikanischer oder demokratischer Regierung. Der ukrainische Vorschlag würde aber eine komplizierte Abstimmung zwischen Washington, den europäischen Hauptstädten und Kiew erfordern.

Krieg in der Ukraine

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Tagesschau, 16.10.2024, 12:45 Uhr ; 

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