Seit Wochen ist von einem ukrainischen Friedensplan die Rede. Von einem Plan, den Präsident Wolodimir Selenski selber auch «Siegesplan» nennt. Doch worin dieser besteht, ist erst vage bekannt. Selenski liess sich auch an einer Ukraine-Sondersitzung nur begrenzt in die Karten blicken. Wohl aus taktischen Gründen.
Gehässig verlief bereits der Beginn der Sitzung im UNO-Sicherheitsrat. Russlands Botschafter Wassili Nebenzia protestierte, weil etliche Unterstützerstaaten der Ukraine, etwa Deutschland oder Italien, als Gäste eingeladen waren. Der slowenische Sitzungspräsident gab nicht nach. Die Geladenen durften reden.
Selenskis taktisches Kalkül
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wiederum gab sich kämpferisch: «Dieser Krieg kann nicht durch Gespräche beruhigt werden. Es braucht Taten.» Anders ausgedrückt: «Russland muss zum Frieden gezwungen werden.»
Hier liegt wohl auch der Grund, warum Selenski seinen Friedens- beziehungsweise Siegesplan nur in homöopathischen Dosen bekanntgibt. Er will zuerst von den USA und möglichst der Nato insgesamt, dass sie der Ukraine erlauben, westliche Waffen gegen militärische Ziele tief in Russland einzusetzen. Ob ihm das gewährt wird, ist noch immer offen.
Doch erst dann scheint er bereit zu sein, konkret darzulegen, ob seine Regierung allenfalls Zugeständnisse machen würde und welche. Möglicherweise sagt er am Mittwoch in der UNO-Generaldebatte etwas mehr. Oder am Donnerstag nach einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden.
Politischer Druck auf Selenski steigt
Immerhin: Von Friedensverhandlungen spricht er schon jetzt und ermuntert Länder wie China, Brasilien oder Indien, sich in solchen zu engagieren. Aber Selenski beharrt zugleich, was sein gutes Recht ist, auf der UNO-Charta und dem Völkerrecht, die den Rahmen für einen Frieden vorgeben müssten.
Der UNO-Sicherheitsrat nimmt seine Verantwortung nicht wahr.
Doch er weiss auch, dass der politische Druck auf ihn weiter wächst, Zugeständnisse zu machen. Und der militärische Druck auf Kiew ebenso. Die ukrainische Armee stehe vor dem Zusammenbruch, höhnte der russische Vertreter bei der UNO, der demonstrativ auf seinem Mobiltelefon herumtippte, während Selenski sprach.
Offenkundig war erneut, dass der UNO-Sicherheitsrat ausserstande ist, eine Lösung zu liefern. Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis drückte es deutlich aus: «Dieses Gremium nimmt seine Verantwortung nicht wahr.»