Alle 15 bis 30 Minuten wird ein neuer verwundeter Soldat in einem kleinen, geheimen Militärspital unweit der Ostfront angeliefert. Ein junger Soldat hat eine tiefe Wunde am Bein. Mehrfach pro Stunde fährt eine Ambulanz vor und hält vor diesem Frontspital. Hier werden die verwundeten Soldaten so weit stabilisiert, dass man sie weiter ins Landesinnere bringen kann.
Geschundene Körper, zerfetzt von Artilleriesplittern, getroffen von Gewehrkugeln, die Knochen von Explosion gebrochen. 24 Stunden am Tag wird geröntgt und operiert, werden Katheter gelegt. Die nahe Front liefert ununterbrochen neue Patienten.
Viele der Verwundeten sind so schwer verletzt, dass sie nie mehr gesund werden. Das Personal arbeitet schnell, routiniert und rund um die Uhr – und es ist ebenfalls in Gefahr. Die russische Armee bombardiert immer wieder Spitäler.
Menschlichkeit wird hochgehalten
«Die Leute arbeiten hier 24 Stunden am Tag – einfach so viel, wie nötig ist, um den Patienten zu helfen», sagt ein Arzt, der anonym bleiben will. Er wohnt in einem kleinen Zimmer. Mal schlafe er eine Stunde pro Nacht, mal zwei oder drei, sagt er. Es ist ein anstrengender Dienst. Trotzdem macht er immer weiter. «Wir Ärzte können ja nicht sagen: ‹Wartet mal, hört auf zu schiessen, wir wollen uns ausruhen›», sagt der Arzt.
Wenn verwundete russische Kriegsgefangene zu uns kommen, erhalten sie auch medizinische Hilfe. Ja, ich hasse sie. Aber sie erhalten Hilfe.
Die Kämpfe im Donbass sind besonders hart in diesen Tagen. Die Russen rücken langsam, aber stetig vor. Bei der Verteidigung ihres Landes zahlen die Ukrainer einen ungeheuer grossen menschlichen Preis. Der Arzt sagt, im Spital würden sie trotz des Grauens die Menschlichkeit hochhalten. «Wenn verwundete russische Kriegsgefangene zu uns kommen, erhalten sie auch medizinische Hilfe. Ja, ich hasse sie. Aber sie erhalten Hilfe. Ich unterscheide da nicht zwischen ihren und unseren Soldaten.»