Ukrainische Truppen sollen den Fluss Dnipro überquert haben. Das geht aus veröffentlichten Geodaten und Texten russischer Militärblogger hervor, berichtet das US-Institut für Kriegsstudien (ISW). Marcel Berni, Experte an der Militärakademie der ETH Zürich, schätzt die Lage ein.
SRF News: Wie glaubwürdig sind die aktuellen Informationen des ISW?
Marcel Berni: Ich halte die Angaben für glaubwürdig, weil sie auf geolokalisierten Quellen beruhen und weil es den Experten dieses Thinktanks in Washington immer wieder gelungen ist, den Krieg sehr treffend zu beschreiben. Und dies mittels Open Source Data, also öffentlich zugänglichen Quellen.
Was weiss man genau über den ukrainischen Vorstoss?
Offensichtlich ist es ukrainischen Kräften gelungen, an einigen Stellen den Fluss Dnipro in der Nähe von Cherson zu überqueren und kleinere Brückenköpfe auf der anderen Seite des Flusses zu bilden. Es handelt sich dabei primär um zwei kleinere Ortschaften.
Es ist möglich, dass diese Ortschaften später wichtig werden, wenn die Ukraine einen Vorstoss in Richtung Osten plant.
Es ist möglich, dass diese Ortschaften später wichtig werden, wenn es darum geht, dass die Ukraine einen Vorstoss in Richtung Osten plant. Insbesondere, weil es scheinbar gelungen ist, Versorgungslinien über den Fluss zu errichten.
Welche Bedeutung hat die Überquerung des Flusses Dnipro?
Im Moment ist sie eher symbolisch zu werten. Aber die Überquerung des Dnipro ist für die Ukraine wichtig, weil sie ukrainische Basen auf der gegnerischen Seite ermöglicht. Und diese Stacheln im gegnerischen Gebiet könnten wichtig werden für einen grösseren Vorstoss.
Ich glaube aber noch nicht, dass es sich um eine kriegsentscheidende Wendung handelt.
Ich glaube aber noch nicht, dass es sich um eine kriegsentscheidende Wendung handelt. Aber es ist bedeutend, weil Putin beispielsweise gerade Anfang Woche selbst noch in Cherson war. Und das bedeutet jetzt, dass die Gebiete östlich des Flusses Dnipro nicht vollständig unter russischer Kontrolle sind.
Ist das der Beginn einer grossen Offensive der Ukraine?
Ich denke nicht, dass wir schon von einer grossen ukrainischen Offensive sprechen können. Dies aus drei Gründen: Erstens, weil es sich vor allem um kleinere Ortschaften handelt. Zweitens, weil es der Ukraine noch nicht gelungen ist, schweres Gerät über den Fluss Dnipro zu bringen. Und drittens, weil wir diese Scharmützel im Gebiet um Cherson schon seit Wochen beobachten.
Das Gespräch führte Georg Halter.