In Israel soll die vom ultrarechten Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir geforderte Nationalgarde geschaffen werden. Nach Ben-Gvirs Willen soll die neue Truppe bei arabischen Unruhen eingesetzt werden. Seine Gegner werfen ihm vor, eine Miliz einrichten zu wollen.
Oppositionsführer Jair Lapid verurteilte den Schritt als «lächerlich und verabscheuungswürdig». Die Regierungsmitglieder hätten für «eine private Armee von Schlägern» gestimmt.
Sicherheitschefs sind alarmiert
Doch nicht nur die Opposition kritisiert die Pläne, wie die freie Journalistin Gisela Dachs aus Tel Aviv berichtet. «Zu den Gegnern gehören auch Sicherheitschefs und Minister innerhalb der Regierungskoalition. Sie sind der Ansicht, dass eine Nationalgarde das Vertrauen in die bestehenden Polizeikräfte unterminieren würde.»
Ein Ex-Generalstabschef des Militärs, der Abgeordnete Gadi Eisenkot, sprach von einem «schwerwiegenden Vorfall, der die Grundsätze der Gewaltanwendung im Lande destabilisiert und das Land gefährdet». Israels Polizeichef Yaacov Shabtai warnte, dass eine Trennung der Nationalgarde von der Polizeihierarchie die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigen könnte.
Protest wird weiter geschürt
Am Wochenende demonstrierten erneut Hunderttausende gegen die umstrittene Justizreform. Netanjahu hatte die Bestrebungen angesichts des massiven Widerstands pausiert. Die Pläne, eine Nationalgarde einzuführen, befeuern den Protest nun erneut.
Ben-Gvir ist Chef der ultranationalistischen Partei «Jüdische Kraft». Er lehnt einen Palästinenserstaat ab und befürwortet die Ausweitung des israelischen Territoriums ins besetzte Westjordanland.
Die Schaffung einer Nationalgarde hatte sich Ben-Gvir im Koalitionsvertrag mit Netanjahu ausbedungen. «Netanjahu macht damit ein Zugeständnis an seinen extremistischen Sicherheitsminister, damit er bei der Pausierung der Justizreform mitmacht», erklärt Dachs.
Nach Ben-Gvirs Plänen soll die Einheit parallel zu Polizei und Militär arbeiten und sich landesweit um «zivile Unruhen» kümmern. Kritiker warnen, dass er die Truppe mit rund 2000 Einsatzkräften gezielt gegen regierungskritische Demonstranten oder die palästinensische sowie arabische Bevölkerung einsetzen könnte.
Netanjahus Tanz auf der Rasierklinge
Ein Gremium soll laut Netanjahu innerhalb von 90 Tagen Empfehlungen vorlegen, welche Befugnisse die Nationalgrade erhalten soll. Dachs bezweifelt aber, ob die Truppe am Ende tatsächlich zustande kommt. «Es kann sein, dass es ein taktisches Versprechen von Netanjahu ist. Es gibt jetzt grossen Aufruhr – und am Ende kommt die Garde vielleicht gar nicht zustande.»
Der Premier ist unter Druck und versucht alles, um an der Macht zu bleiben. Und dafür muss er seine Extremisten in Schach halten.
Nachdem Netanjahu die Justizreform auf Eis gelegt hat, rumort es in seiner Regierungskoalition. «Der Premier ist unter Druck und versucht alles, um an der Macht zu bleiben», sagt Dachs. «Und dafür muss er seine Extremisten in Schach halten.»
Die Journalistin ist alarmiert über die gesellschaftlichen Gräben in Israel – und Netanjahu nehme in Kauf, das Land weiter zu spalten. Derzeit würden sich alte Bruchlinien im Land zeigen, die weit über die Justizreform hinausgehen. «Säkuläre stehen Religiösen gegenüber, europäisch geprägte Israelis weniger gut gestellten, orientalisch geprägten Israelis», schliesst Dachs. «Die Spaltung geht auch mitten durch Familien.»