Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, plant einen radikalen Umbau der französischen Hauptstadt. So sollen in den nächsten sechs Jahren 70'000 Parkplätze aus der Stadt verschwinden – dafür soll es mehr Grünflächen und Velowege geben. Doch das ist nur der Anfang, wie der ARD-Korrespondent in Paris, Marcel Wagner, weiss.
SRF News: Wie soll Paris gemäss der Vision von Bürgermeisterin Hidalgo aussehen?
Marcel Wagner: Deutlich grüner und autofreier als heute.
Hidalgos langfristiges Ziel ist die «15-Minuten-Stadt» – die Bewohnerinnen und Bewohner sollen alles, was sie zum Leben brauchen, in 15 Minuten erreichen können. Wie soll das gehen?
Wenn man den Arzt, den Supermarkt, alles Administrative, aber auch Schulen und Kindergärten innert 15 Minuten erreichen können soll, braucht es deutlich mehr Radwege, aber auch mehr Grünflächen, auf denen sich Fussgänger schneller und zielgerichteter bewegen können. Das alles wird Jahre dauern. Jetzt schlägt die Bürgermeisterin die Pflöcke für diese Pläne ein.
Die Pariser Vorstädte sind schlecht ans Pariser Zentrum angebunden, Zehntausende Menschen pendeln jeden Tag teils stundenlang zu ihren Arbeitsplätzen in der Innenstadt. Wie soll das künftig in 15 Minuten zu schaffen sein?
Es ist utopisch zu glauben, dass auch die Vorstadt-Bewohnerinnen und -Bewohner in dieses Konzept eingebunden werden können. Auch künftig wird der Weg zur Arbeit länger als 15 Minuten dauern. Allerdings ist Paris seit Jahren daran, das Konzept «Grand Paris» umzusetzen. Es sieht vor, das Zentrum immer stärker mit der Peripherie zu vernetzen. So sollen unter anderem die RER-Nahverkehrszüge und die Metro weiter in die Vorstädte hinaus fahren.
‹Grand Paris› hätte bis OIympia 2024 umgesetzt werden sollen – jetzt wird es sicher 2030.
Auch sollen die Banlieues untereinander besser erschlossen werden. Denn heute muss man immer zuerst ins Pariser Zentrum, um von einer Vorstadt in eine andere zu gelangen. Die Pläne hätten ursprünglich bis Olympia 2024 umgesetzt sein sollen, nun wird es aber sicher bis 2030 dauern, bis alles fertig gebaut ist. Dann sollte es möglich sein, dass viel mehr Menschen als heute nicht mit dem Auto in und um Paris unterwegs sein müssen, sondern mit dem ausgebauten öffentlichen Verkehr.
Es gibt auch heftige Kritik an Hidalgos Plänen – wie sieht es mit dem politischen Widerstand aus?
Es gibt durchaus Widerstand von konservativen Politikern innerhalb von Paris. Allerdings haben sich die Wählerinnen und Wähler bei den letzten Wahlen für eine rot-grüne Mehrheit und damit für Hidalgos Pläne ausgesprochen. Für die Menschen im Pariser Zentrum tönen Hidalgos Pläne durchaus attraktiv: Nicht einmal jeder Dritte von ihnen besitzt überhaupt ein Auto – sie leiden aber unter dem Verkehr aus den Vorstädten.
Jene Menschen, welche Hidalgos Pläne am stärksten betreffen, konnten gar nicht mitentscheiden.
Für die in den Pariser Vorstädten lebenden Menschen allerdings ist es oft nur per Auto möglich, innert nützlicher Frist ins Zentrum zu gelangen. Nun wurde Bürgermeisterin Hidalgo aber nur von der Bevölkerung im Zentrum von Paris gewählt, die Vorstädte sind eigene Gemeinden mit eigenen gewählten Behörden. Also hatten jene Menschen, welche Hidalgos Pläne am stärksten betreffen, gar nichts mitzuentscheiden. Das vertieft den Graben zwischen «denen da draussen» und «denen da drinnen» weiter.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.