Frankreichs rechtspopulistische Partei Rassemblement National hat einen neuen Präsidenten: Jordan Bardella wird Nachfolger von Marine Le Pen. Erstmals in der 50-jährigen Geschichte der Partei trägt der Chef oder die Chefin nicht den Namen Le Pen.
Das Resultat war eindeutig: Jordan Bardella gewann mit einem Stimmenanteil von 85 Prozent. Dies ist auch ein Votum für Marine Le Pen. Denn Jordan Bardella war der erklärte Kronprinz. Le Pen hatte ihn bereits vor einem Jahr im Zuge ihrer Präsidentschaftskampagne zum Interims-Parteichef gemacht. Nun übernimmt er definitiv, denn Marine Le Pen will sie sich auf ihr neues Amt als Fraktionschefin in der Nationalversammlung konzentrieren.
Partei wird von Vergangenheit eingeholt
Das Rassemblement National ist die grösste Oppositionsfraktion. Die wenigsten Abgeordneten haben nationale Parlamentserfahrung. Wie glitschig für sie das Terrain ist, zeigte sich gerade diese Woche: Nach einem als rassistisch eingestuften Zwischenruf belegte das Parlament einen Abgeordneten mit einem Hausverbot für 15 Sitzungstage. Die härteste Sanktion, die im Reglement der Nationalversammlung vorgesehen ist und seit 1958 erst einmal verhängt wurde.
Der Fall zeigt, wie schnell die Partei immer wieder von der rechtsextremen Vergangenheit unter Parteigründer Jean-Marie Le Pen eingeholt wird. Für Marine Le Pen ist dies ein Rückschlag in ihrem Versuch, die Nachfolgepartei des Front National zu «entdiabolisieren».
Bardella – Le Pens politischer Ziehsohn
Jordan Bardella gilt seit langem als Marine Le Pens politischer Ziehsohn. Sie arbeiten seit Jahren eng zusammen. Bardella war Parteisprecher. Sein politisches Gesellenstück war 2019 die Wahl fürs Europäische Parlament. Er führte die Liste des Rassemblement National in Frankreich auf den ersten Platz. Seither ist Bardella innerhalb weniger Jahre zu einem der bekanntesten Politiker Frankreichs geworden. Niemand anders tritt derzeit in nationalen Medien so häufig in Interviews und politischen Diskussionen auf wie er.
Auf einen Wechsel ins nationale Parlament hat Bardella in diesem Frühjahr verzichtet. Er wolle sich auf die Europawahl im Jahr 2024 konzentrieren, erklärte er kürzlich: Diese Wahl werde für Frankreich und Europa eine zentrale Rolle spielen. Weil sie in der Halbzeit von Präsident Macrons zweiter Amtszeit stattfinden, werden sie zum politischen Stimmungstest für die Präsidentenwahl 2027.
Marine Le Pen behält die Fäden in der Hand
Auch den Führungswechsel beim Rassemblement National muss man mit Blick auf diese Präsidentenwahl sehen. Denn Marine Le Pen gibt zwar die Parteiführung ab. Als Fraktionschefin in der Nationalversammlung wahrt sie aber ihren Einfluss auf die Politik der Partei. Es ist auch weniger ein Generationenwechsel. Bardella ist mit 27 Jahren zwar exakt halb so alt wie Marine Le Pen. Vor allem aber sind sie ein gut eingespieltes Führungsduo. Bereits während der Präsidentschaftskampagne hat sich eine Rollenteilung etabliert.
Marine Le Pen hat sich mit den Themen Sicherung der Kaufkraft sowie Sicherheit für sozial benachteiligte französische Bürgerinnen und Bürger ein weicheres Profil gegeben. Bardella, der als Sohn italienischer Migranten in einer Vorstadt von Paris aufgewachsen ist, vertritt die harte Mitgrationspolitik, die der RN-Wählerschaft wichtig ist. Damit nimmt er Le Pen etwas aus der Schusslinie.
Dies heisst im Klartext wohl: Mit dem Wechsel im Parteipräsidium bereitet Marine Le Pen bereits das Terrain vor für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2027.