Japan versucht, Teilen der Bevölkerung von Tokio und den anderen Städten das Landleben schmackhaft zu machen und will ihnen helfen, sich auf dem Land anzusiedeln. Deshalb gibt es eine Umzugsprämie, die aktuell um das Dreifache erhöht wird. Wer aus Tokio wegzieht, erhält pro Kind umgerechnet 7000 Franken Prämie.
Zwar ist die Bevölkerungszahl in Tokio erstmals seit Jahren gesunken, doch die Bevölkerungsdichte in Japan ist sehr ungleich verteilt. Es leben rund 37 Millionen Menschen im Grossraum Tokio, während es im Norden und im Süden Japans Gebiete gibt, in denen weniger als 100 Menschen auf einem Quadratkilometer leben. Die Landschaft droht stellenweise zu verwahrlosen. Bereits stünden 10 Millionen Häuser auf dem Land leer, und teilweise sei die Landschaft voller Müll. «Damit wird das Leben auf dem Land noch unattraktiver», sagt Kathrin Erdmann, die für die ARD aus Tokio berichtet.
Dies sei einer der Gründe, warum die Behörden die Umzugsprämie aufs Land erhöht hätten, sagt Erdmann. Ein weiterer Grund ist, dass bis ins Jahr 2050 mit einem schweren Erdbeben, das die Hauptstadt treffen könnte, gerechnet wird. Man rechnet mit rund 6000 Toten. Dabei könnten auch 4.5 Millionen Menschen obdachlos werden. Diese Situation würden die Behörden gerne vermeiden.
Keine einfachen Bedingungen für Kinder
Doch die bereits seit längerem bestehende Umzugsprämie hatte bis anhin wenig Erfolg. Deshalb wurde sie erhöht. Auf dem Land ist das Leben zwar günstiger, aber es gibt wenig Jobs und die Löhne sind tiefer. «Oft sind auf dem Land weite Wege zu bewältigen», sagt die Korrespondentin. Während man in Tokio praktisch überall die Möglichkeit habe, um die Ecke zu jeder Uhrzeit eine warme Mahlzeit zu bekommen, ist dies auf dem Land nicht so. «Das bequeme Leben wie in der Stadt gibt es auf dem Land nicht», sagt Erdmann. Auch die Häuser auf dem Land seien nicht so isoliert, wie man es sich beispielsweise in der Schweiz gewöhnt sei. Es werde richtig kalt.
Auch für Kinder sind die Bedingungen auf dem Land nicht gut, das Bildungsangebot sei viel niedriger, sagt Erdmann. Die Kinder müssten oft zu weit entfernten Schulen gebracht werden, was vor allem in Winter sehr schwierig sein kann, denn Japan ist oft sehr verschneit. Zwar gilt Japan allgemein als ein mit öffentlichem Verkehr sehr gut erschlossener Staat, doch die Bahn ist privatisiert. Das heisst, was sich nicht lohnt, wird geschlossen. Für Kinder bedeutet dies unter Umständen, dass sie bereits eine Stunde zu früh in der Schule ankommen – weil es keinen passenden Zug gibt.
Die Prämie ist zudem an Bedingungen geknüpft. Nach Möglichkeit soll man auf dem Land ein eigenes Geschäft eröffnen. Und die Familien müssen nach dem Umzug mindestens fünf Jahre in der Region bleiben, sonst müssen sie das Geld zurückzahlen.
Landregionen aufwerten
ARD-Korrespondentin Erdmann ist der Meinung, dass auch die höhere Prämie allein ihren Zweck nicht erfüllen wird. Die Regierung müsste bewusst die ländlichen Regionen aufwerten, zum Beispiel Ministerien dorthin verlagern und die Anzahl der Regionen verkleinern. So würden gewissermassen Ballungszentren entstehen, die auch kulturelle Angebote hätten. Und die privatisierte Infrastruktur müsse vielleicht zurück in staatliche Verantwortung übergehen, denn wenn es nur wenige Angebote gebe, kämen die Leute nicht.