Die Schweizer Fussball-Nati fällt im Fernduell den Europameister: Italien muss sich über die Barrage an die WM in Katar zittern, die Schweiz ist direkt für die Endrunde qualifiziert.
In die Euphorie mischt sich aber auch Skepsis. Denn dem Gastgeberland wird vorgeworfen, sich mit dem prestigeträchtigen Mega-Event reinzuwaschen.
Katarische Charmeoffensive
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren das Regime scharf. Im Golfstaat würden Frauen unterdrückt, Homosexuelle ins Gefängnis gesperrt und Aktivisten gefoltert. Dazu kommen brutale Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien.
«Für Katar ist der Fussball vor allem eine politische und wirtschaftliche Angelegenheit», erklärt der Journalist Ronny Blaschke, der sich mit der Dunkelkammer von Sport und Politik beschäftigt. Das kleine Emirat im Arabischen Golf hat rund 2.8 Millionen Einwohner, nur zehn Prozent von ihnen sind katarische Staatsbürger.
Seinen Reichtum verdankt es seinen Öl- und Gasvorkommen – die Ressourcen sind aber endlich. «Damit das Land langfristig eine Perspektive hat, braucht es Netzwerke mit Europa und Nordamerika», so Blaschke. Und gerade der Fussball sei geeignet, die Aufmerksamkeit von Investoren, Touristen und technologischen Partnern auf sich zu ziehen.
Es gibt konservative Kreise, die die WM am liebsten wieder zurückgeben und in Ruhe gelassen würden. Sie haben auch keine Lust auf Bilder von alkoholtrinkenden oder homosexuellen Fans.
Doch auch regionale Rivalitäten unter den Golfstaaten spielen eine Rolle bei Katars Charme-Offensive. «Es hat die Sorge, dass es vom grossen Nachbarn Saudi-Arabien überrannt wird.» Noch immer wirke der irakische Einmarsch von 1990 im ölreichen Kleinstaat Kuwait nach; militärisch hätte Katar den Saudis kaum etwas entgegenzusetzen. Mit Partnerschaften zum Westen – von Universitäten über Museen bis hin zum Fussball – versuche sich das Land unangreifbar zu machen.
Mit seinem weltweit ausgestrahlten Nachrichtensender Al-Dschasira prägt Katar politische und gesellschaftliche Debatten weit über die eigenen Grenzen hinaus mit; die Airline Qatar Airways ist eines der Prestige-Projekte des schwerreichen Emirats. «Aber damit weckt man keine Emotionen bei den Menschen – der Sport aber schon», sagt Blaschke.
Besonders nach Frankreich unterhält das Herrscherhaus gute Beziehungen: Es besitzt Immobilien an den nobelsten Adressen und Kunstwerke von unschätzbarem Wert; der neureiche Fussball-Klub Paris St. Germain greift mit katarischem Geld nach den Champions-League-Sternen. Die Verpflichtung von Star-Spielern dient für Blaschke auch dazu, die öffentliche Debatte weg von unangenehmen Themen auf den Fussball zu lenken.
Doch können Verbindungen zum Westen auch dazu führen, dass sich Katar im Innern um Reformen bemüht? So hat sich selbst Amnesty zuletzt gegen einen Boykott der WM ausgesprochen. Vielmehr solle die internationale Aufmerksamkeit genutzt werden, um den Druck auf Monarch Tamim bin Hamad Al Thani weiter zu erhöhen und so Fortschritte zu erzwingen.
Scheinheilige Kritik aus dem Westen?
Auch Blaschke hält einen Boykott für wenig zielführend, zumal es dafür auch zu spät sei. Die andauernde Kritik hat aber tatsächlich Spuren bei den Kataris hinterlassen. «Es gibt konservative Kreise, die die WM am liebsten wieder zurückgeben und in Ruhe gelassen würden. Sie haben auch keine Lust auf Bilder von alkoholtrinkenden oder homosexuellen Fans.»
Letztlich reicht es Blaschke aber nicht, mit dem erhobenen Zeigefinger auf Katar zu zeigen: Denn viele westliche Firmen versuchten sich in den lukrativen Märkten am Golf oder auch in Ostasien zu positionieren – und scherten sich dabei selbst wenig um Menschenrechte.
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