Es gehe bloss um Transparenz, versicherte der Premierminister Irakli Kobachidse. Wie könne man gegen Transparenz sein? Eine gute Frage, aber eine, die in der aktuellen Debatte in Georgien irrelevant ist.
Denn der Regierung der Partei «Georgischer Traum» geht es nicht um Transparenz, wenn sie sämtliche Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Finanzierung aus dem Ausland beziehen, per Gesetz als «Vertreter der Interessen einer fremden Macht» abstempeln will. Gegenüber der Opposition und dem Ausland erklärte sie immer, das Gesetz unterscheide sich nicht von analogen Gesetzen in den USA und der EU.
Aber gleichzeitig entlarvte sie sich: In einer offensichtlich von den Sicherheitsbehörden ausgehenden Einschüchterungskampagne wurden Kritiker verprügelt, bedroht, auf Plakaten überall in der Hauptstadt Tiflis als «Verräter» angeprangert. Diese Rhetorik kommt auch direkt von Regierungsvertretern. Premier Kobachidse selbst sprach vom «Verrat» der Präsidentin, weil diese ihr Veto gegen das Gesetz eingelegt hatte.
Einflussreiche NGOs?
Georgien ist kein reiches Land, und der wirtschaftsliberal aufgestellte georgische Staat investiert wenig in die Institutionen, die eine Gesellschaft am Laufen halten. NGOs leisten in Georgien essenzielle Arbeit. Damit spielen sie in Gesellschaft und Politik eine grosse Rolle. Regulierung wäre nicht per se schlecht.
Doch das Gesetz geht viel weiter als europäische Pendants und in Teilen sogar als das russische, mit dem es oft verglichen wird. Auch das stützt die Vermutung, dass es als Allzweck-Repressionsinstrument dienen soll. Betroffen sind Medien, Wahlbeobachter, Tierschutzorganisationen, Kinderheime. Alle können künftig als «Vertreter fremder Mächte» deklariert werden.
Das lädt zu den Schikanen ein, wie sie zuletzt in Tiflis zu sehen waren. Wer sich wehrt, muss hohe Bussen zahlen, die die wenigsten stemmen können.
Eine Frage eint die Bevölkerung
Vor allem kleine Organisationen in ärmeren, ländlichen Regionen müssen den Stempel wohl hinnehmen oder schliessen. Ausgerechnet dort, wo die Regierungspartei am stärksten ist, würde das zivilgesellschaftliche Auffangnetz wegfallen. Bislang hielt sie ihre Hochburgen vor allem dadurch, dass sie die grössten Medien kontrolliert, in den Regionen einflussreiche Seilschaften aufbaut und mit populistischer Hetze die konservative Landbevölkerung überzeugte.
Doch in Georgien vereint eine Frage Alt und Jung, Konservative und Progressive: die Frage nach der geopolitischen Ausrichtung. Seit Jahren zeigen Umfragen, dass eine erdrückende Mehrheit der Bevölkerung nach Europa will, statt wieder in den Orbit Russlands zu geraten. Denn Russland bedeutet Autokratie und Repression, nicht die Demokratie, die sich Georgien in den letzten zwei Jahrzehnten vorsichtig aufgebaut hat.
Georgiens Regierung verbaut dem Land mit ihrem Kurs aber den Weg in die EU und treibt es in die Arme Russlands und Chinas, die keine Ansprüche an die Einhaltung demokratischer Normen haben. Damit hintergeht der «Georgische Traum» nicht nur die jungen Demonstrierenden in den Städten, sondern die ganze Bevölkerung.