Worum geht es? Israels neue Regierung will eine Justizreform umsetzen – und zwar schnell. Mit der Vorlage soll unter anderem die Macht des höchsten Gerichts in Israel vermindert werden. Die Vorlage ist aber so umstritten, dass der frühere Ministerpräsident Jair Lapid der Regierung vorwirft, sie wolle die demokratischen Strukturen in Israel zerschlagen. «Die neue Regierung hat wie ein Mafia-Clan (…) einen geladenen Revolver auf den Tisch gelegt.»
Mit der Justizreform würde dem Obersten Gerichtshof das faktische Vetorecht im Namen des Minderheitenschutzes entzogen.
Was ist umstritten an der Vorlage? Mehrere Punkte werden von der Opposition kritisiert. Einer davon ist die sogenannte Überwindungsklausel: Eine Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten im Parlament könnte nach Inkrafttreten der Reform ein Gesetz verabschieden, auch wenn es nach Ansicht des höchsten Gerichts gegen das Grundgesetz verstösst. «Damit würde dem Obersten Gerichtshof das faktische Vetorecht im Namen des Minderheitenschutzes entzogen», sagt Gisela Dachs, freie Nahost-Korrespondentin. Weiter will Justizminister Levin die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern ändern. Es sollen zwei öffentliche Vertreter vom Justizminister ernannt werden, zwei von der Anwaltskammer.
Wieso wird die Reform in Israel auch Deri-Gesetz genannt? Ein Punkt im neuen Gesetz betrifft konkret den möglicherweise künftigen Innen- und Gesundheitsminister Arie Deri. Darüber, ob er Minister werden darf, berät das Gericht am Donnerstag. Deri ist Vorsitzender der streng religiösen Schas-Partei. Er ist mehrfach verurteilt worden, zuletzt vor einem Jahr wegen Steuerhinterziehung. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Erstmals verurteilt wurde er schon 1999. Er verbüsste eine Haftstrafe bis 2002.
Was sagt die Generalstaatsanwältin dazu? Gali Baharav-Miara lehnt die Ernennung Deris zum Innenminister als «absolut unangemessen» ab. Ein heute geltendes Gesetz verbietet die Ernennung, da es besagt, dass man bei einer Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung nicht Minister werden dürfe. «Deshalb hat die neue Regierung das neue Gesetz geschaffen, das Deri nicht mehr als Kandidat ausschliesst», sagt die Beobachterin Gisela Dachs.
Gibt es weitere Vorbestrafte in der neuen Regierung Israels? Der neue Polizeiminister Itamar Ben-Gvir wurde 2007 wegen rassistischer Aufhetzung schuldig gesprochen. 2015 sagte er in einem Interview, er sei 53-mal verklagt worden. Ben-Gvir erregte kürzlich internationale Aufmerksamkeit, als er den Tempelberg besuchte. Dies empfanden aufgrund des ungelösten Palästina-Konflikts nicht nur arabische und muslimische Kreise als Provokation.
Hätte das Gesetz auch Auswirkungen auf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu? Die oben erwähnte Überwindungsklausel, mit der Urteile des Obersten Gerichts ausser Kraft gesetzt werden könnten, wäre auch für den amtierenden Ministerpräsidenten praktisch. Denn so könnte das Oberste Gericht die Immunität, die ihm das Parlament gewährt, nicht aufheben. Gegen Netanjahu läuft ein Prozess wegen Korruption.