Vor Gipfelbeginn sprachen fast alle Beobachter und viele Politiker von einer Nullrunde, von einem möglichen Fiasko, gar vom Ende der G7. Am Ende präsentiert sich das Bild erheblich positiver. Obschon in zentralen Fragen – Handelspolitik, Klima, kriegerische Konflikte – wenig Greifbares beschlossen wurde. Doch Emmanuel Macron hat dreierlei geschafft:
Gipfelregeln: Normalerweise ist bei G7-Gipfeln alles durchorchestriert bis ins kleinste Detail. Die Staatschefs der sieben wirtschaftskräftigsten westlichen Industriestaaten diskutieren miteinander, lassen das traditionelle «Familienfoto» schiessen und, wenn es gut läuft, scherzen sie auch mal miteinander. Am Ende verabschieden sie eine dicke Schlusserklärung, mal mehr, mal weniger substanzreich.
Macron warf dieses Drehbuch weg. Ein langes Schlussdokument schloss er von vornherein aus. Damit entzog er US-Präsident Donald Trump das Vetorecht über das Gelingen oder Misslingen des Gipfels. Werden von vornherein keine Erwartungen geschürt, gelten selbst punktuelle Fortschritte als Erfolg: Etwa der Aktionsplan zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in den Sahel-Staaten. Oder die gut 20 Millionen Franken Nothilfe zur Bekämpfung der Waldbrände am Amazonas.
Macron sorgte ausserdem für Überraschungen: Er bat Trump spontan am ersten Gipfeltag zu einem langen, offenbar erspriesslichen Mittagessen. Er liess zur Überraschung fast aller Irans Aussenminister Mohammed Javad Zarif einfliegen. Ein PR-Coup oder ein diplomatischer Durchbruch? Jedenfalls setzte er den US-iranischen Konflikt damit ganz oben auf die Gipfelagenda. Nun ist bereits von einem möglichen baldigen Spitzentreffen zwischen Trump und Irans Staatschef Hassan Rohani die Rede. Wenn es dazu kommt, wäre das ein echter Durchbruch.
Initiativen: Macron setzte Akzente. Ganz kurzfristig hob er die Brände im Amazonasgebiet auf die Agenda und machte Druck mit der Drohung, das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten zu blockieren, falls Brasilien nicht kooperiere. Er setzte auf Themen wie Frauenrechte, die Lage im Sahel oder die Digitalsteuer. Trump warf ihm zwar deswegen vor, zu stark auf «Nischenthemen wie Klimawandel, Frauenrechte oder Afrika» zu setzen. Doch er machte gute Miene zum Spiel, obschon es nicht seines war.
Diplomatie: Trotz gewaltiger inhaltlicher Differenzen schaffte es Macron, Trump einzubinden. So gelöst, so kooperativ wie in Biarritz erlebte man den US-Präsidenten auf multilateralen Treffen noch nie. Selbst beim Reizthema Iran scheint er Macrons Vorgehen zumindest vorläufig zu billigen. Im Streit um die Besteuerung der US-Tech-Konzerne zeichnet sich eine Annäherung ab. Und bei der Frage, Russland allenfalls wieder als G7-Mitglied aufzunehmen, sind sich Trump und die Europäer weiterhin uneinig, aber vertagten die Entscheidung friedlich auf später.
Fragt sich nach Biarritz, ob Trump allmählich die Vorteile internationaler Zusammenarbeit erkennt. Oder ob die versöhnliche Stimmung nur eine Momentaufnahme darstellt. Hoffen darf man immer. Jedenfalls war Trump hier nicht der trotzig Abseitsstehende. Er investierte zudem richtig viel Energie in bilaterale Gespräche: Macron, Merkel, Modi, Johnson, al-Sisi, Abe,… Ein Stück weit freilich blieb Trump Trump: Die Diskussionen über eines der gravierendsten Probleme der Gegenwart, den Klimawandel, schwänzte er.
Aus einem Gipfel, von dem so gut wie nichts erwartet wurde, verstand es Macron, einiges herauszuholen. Kaum jemand behauptet mehr, ein solches Treffen sei nutzlos – egal, welche Resultate Biarritz langfristig bringt.