G7-Gipfel sind stets für Überraschungen gut. Seit einigen Jahren eher für negative als für positive. Mitunter gar für Eklats. Weshalb diesmal die Teilnehmer sichtlich, ja fast penetrant mehr Einvernehmen demonstrieren, als tatsächlich vorhanden ist.
Beidseits freundschaftliche Worte
Stundenlang sassen die beiden wichtigsten Akteure am G7-Gipfel zusammen. Trump sei ein ganz spezieller, bedeutender Gast, schmierte Macron dem Amerikaner Honig um den Mund. Der erwiderte, er habe beim Déjeuner den besten Moment überhaupt mit dem französischen Präsidenten verbracht. Ähnlich prononciert freundschaftlich äussern sich die übrigen.
Doch verstehen sie sich wirklich? Ein Blick auf die Schlüsselthemen:
- Beispiel eins: Iran
Heute, kurz vor Mittag, sah es nach einem Durchbruch in der Iranfrage aus. Französische Diplomaten plauderten es aus, Präsident Macron bestätigte es: Die G7, also samt den USA, hätten ihn beauftragt, mit Teheran das Gespräch zu suchen. Macron möchte kurzfristig die Ölsanktionen gegen den Iran lockern, damit dieser sich im Gegenzug wieder ganz ans Atomabkommen hält. Doch nur eine Stunde später machte Trump klar: Einem solchen gemeinsamen G7-Vorstoss habe er nicht zugestimmt. Er sei lediglich damit einverstanden, wenn Macron mit der iranischen Führung spreche, man könne Leute ja nicht am Reden hindern.
Worauf Macron zurückruderte: Die G7-Gruppe sei eine informelle und könne daher niemandem ein formelles Verhandlungsmandat erteilen. Einig sei man sich in der Siebnerrunde aber darüber, dass der Iran keine Atomwaffen haben dürfe und es am Persischen Golf statt Krieg wieder Frieden und Stabilität brauche. Darüber wolle er mit Teheran reden. Trump scheint das bestenfalls zu billigen, aber nicht wirklich zu unterstützen.
Völlig überraschend traf dann am Nachmittag Irans Aussenminister Mohammed Javad Zarif in Biarritz ein. Heisst das, man war sich zuvor doch einig über eine Vermittlung Macrons, doch Trump entschied sich - nicht zum ersten Mal - abrupt anders?
- Beispiel zwei: Russland
Trump möchte Moskau wieder im Klub der westlichen Mächte dabeihaben. Das wäre besser für die Welt. Und darüber diskutiere man nun. Doch die Europäer sehen das völlig anders: Keine Wiederaufnahme, solange der Ukraine-Konflikt nicht gelöst ist. Stellvertretend für sie äusserte sich in Biarritz EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Nun kann Trump als Gastgeber des nächsten G7-Gipfels , der 2020 in den USA stattfinden wird, Präsident Wladimir Putin als Gast einladen für einzelne Gipfelthemen. Damit Russland wieder Mitglied wird, müssen jedoch alle einverstanden sein, sagt John Kirton, Leiter der Forschungsgruppe an der Universität Toronto, die seit Jahren die Gipfel wissenschaftlich begleitet. Er bezweifelt, dass Putin bereit wäre, statt wieder als Vollmitglied teilzunehmen, bloss am Kindertisch Platz zu nehmen. Keine Einigkeit also auch hier.
- Beispiel drei: China
Der Freihandel und der US-Streit mit China. Hier deutete Trump zunächst an, er habe Zweifel, ob der Handelskrieg mit Peking der richtige Weg sei. Es liefen zurzeit gute Gespräche mit China. Wenig später liess er aber eine Mitarbeiterin dementieren.
Trump bedaure vielmehr, erklärte sie, nicht noch höhere Zölle gegen China verhängt zu haben. Und: Die Europäer würden sein Vorgehen respektieren. Tun sie aber nicht, wie sogar Trumps neuer Freund, der britische Premier Boris Johnson erklärte. Grossbritannien stehe zum Freihandel.
Zur Halbzeit beim G7-Gipfel gibt es also zunächst mal viel wortreiche Scheineinigkeit.