Einen Monat nach der Wahl in Deutschland hat der neue Bundestag seinen Betrieb aufgenommen. Sollte die Ampel-Koaltion zustande kommen, wäre die Union in der Opposition und die Bundestagsfraktion somit das neue Kraftzentrum für die Schwesternparteien CDU und CSU. Doch wie soll die Union diese neue Rolle ausfüllen? CSU-Politiker Peter Ramsauer ist nach Wolfgang Schäuble derjenige, der am längsten im Bundestag sitzt. Er hat klare Vorstellungen, denn er war schon einmal in der Opposition.
SRF News: Sind Sie bereit für den Gang in die Opposition?
Peter Ramsauer: Politik ist kein Wunschkonzert. Wenn sich die Dinge so entwickeln wie jetzt, bleibt uns nur die Opposition. Wir haben die Wahlen selbst vergeigt, völlig unnötigerweise. Das ist für die Union ein gehöriger Szenenwechsel. Es sind ja nur noch wenige aus der Zeit von 1998 bis 2005 im Bundestag. Alle anderen sind nur die Zeiten der Regierungsarbeit gewohnt. Die werden sich noch gewaltig wundern.
Welche Lehren haben Sie aus der letzten Oppositionszeit gezogen?
Franz Müntefering von der SPD hat es einst so formuliert: «Opposition ist Mist, weil man nur für den Papierkorb arbeitet.» So überspitzt ist es natürlich nicht. Man arbeitet dafür, dass Unsinn verhindert wird, dass man die Regierung hart kontrolliert, dass man auch öffentlich anprangert. Und schliesslich ist nach einer Wahl auch immer vor einer Wahl. Das heisst, wir laufen uns mit der Oppositionsrolle bereits warm für die nächste Bundestagswahl. Und dazwischen liegen eine ganze Reihe von Landtagswahlen, bei denen wir natürlich auch reüssieren wollen.
Wenn die Ampelkoalition zustande kommt, wäre auch die FDP Teil davon, eine Partei, die in ihren Positionen der Union oft nahe ist. Immer nur zu sagen, so gehe es nicht, wäre dann schwierig?
Das ist genau der Spaltpilz, eine Art Bruchstelle dieser Ampelkoalition, dass diese völlig unterschiedlichen politischen Mentalitäten hier zusammenwirken müssen. Auf der einen Seite die Grünen, eine zutiefst antiliberale Partei und auf der anderen Seite die FDP als liberale Partei. Da bin ich jetzt schon gespannt, wie das zusammenpassen soll.
Aber das macht es für Sie als Opposition nicht leichter...
Das hat sogar einen gewissen Charme für eine Oppositionspartei, wenn man kritisieren kann, dass entweder bei den Grünen die totalitären Grundeinstellungen verraten werden, oder, wenn es anders läuft, man der FDP vorhalten kann, dass sie ihre liberale Gesinnung aufgibt.
Armin Laschet sieht die Union in der Opposition als Anker der Seriosität. Er sagte, sie solle staatstragend sein, Extreme bekämpfen, sich nicht verleiten lassen zum Populismus. Stimmen Sie dem zu?
Ja. Wir müssen unsere bürgerliche Grundklientel wieder an uns binden, die uns bei dieser Wahl aus vielerlei Gründen verlassen hat. Wir sind die bürgerliche Mitte, die konservativ-liberale, wirtschaftsorientierte, aber auch sozialorientierte Volkspartei. Wir haben in diesem traditionellen Wählermilieu viel mehr verloren, als wir andernorts gut machen konnten.
Wenn man derartig verprügelt worden ist, zwingt einen das regelrecht dazu, endlich zusammenzuhalten.
Es gab im Wahlkampf Spannungen zwischen CDU und CSU. Wie steht es denn um das Vertrauen innerhalb der Fraktion?
Wenn man derartig verprügelt worden ist, und zwar beide Parteien in ihren Gebieten, dann zwingt einen das regelrecht dazu, endlich zusammenzuhalten und nicht mehr ständig nachzutreten und sich wegen was auch immer gegenseitig zu kritisieren. Ich wünsche mir natürlich und tue alles dafür, dass wir innerhalb der Union Harmonie haben. Und dass wir aus dieser Harmonie heraus eine Opposition werden, die in vier Jahren wieder einen Regierungsauftrag hat.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.