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Atomare Abrüstung in der Sackgasse
Aus Echo der Zeit vom 27.08.2022. Bild: Keystone
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UNO-Atomwaffenkonferenz Nichts geht mehr bei der atomaren Abrüstung

Mehrfach wurde in der Nacht auf Samstag die Schlusssitzung verschoben – in der Hoffnung, doch noch einen Kompromiss zu erreichen. Erfolglos. Am Schluss meinte ein erschöpfter und enttäuschter Verhandlungsleiter, man sei einer Einigung äusserst nahe gewesen. Doch dieser verweigerte sich ein Land: Russland. Moskaus «Nein» versuchte dessen Chefunterhändler mit dem Argument zu rechtfertigen, das geplante Schlussdokument sei zu politisch. Und zwar, weil es die russische Besetzung des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischja kritisierte.

Die Schweiz hat sich in den Verhandlungen stark engagiert. Sie schaffte es sogar, zusammen mit gleichgesinnten Staaten, zwei Prinzipien in der geplanten Schlusserklärung zu verankern: eine für mehr Sicherheit von zivilen Atomanlagen und eine zweite für die Verringerung nuklearer Risiken durch mehr Transparenz, mehr Dialog, mehr Krisenprävention seitens der Atommächte. Kein Wunder, dass auch der Schweizer Chefunterhändler, Botschafter Félix Baumann, enttäuscht Bilanz zieht. Man habe gehofft, es werde trotz der Differenzen und der schwierigen internationalen Lage gelingen, sich zu einigen.

Atommächte zeigen sich renitent

Ein echter Durchbruch, bei dem sich die Atomwaffenstaaten zu konkreten Abrüstungsschritten verpflichtet hätten, lag indes von vornherein ausser Reichweite. Die Atommächte seien, so Baumann, nicht bereit, auf die atomare Abschreckung zu verzichten. Zugespitzter formuliert: Jene Länder, die Atomwaffen besitzen, zeigen sich renitent. Sie wollen sich nicht einmal ausdrücklich dazu bekennen, niemals einen atomaren Erstschlag durchzuführen.

Gerade wegen der aktuellen Spannungen wäre es jedoch wichtig gewesen, wenn sie sich in einer Schlusserklärung zumindest zu ihren bisherigen Verpflichtungen bekannt hätten und zur Einsicht, dass ein Atomkrieg nicht zu gewinnen ist – und allein schon deswegen niemals begonnen werden darf.

Das Scheitern der Verhandlungen führt nun dazu, dass der Atomsperrvertrag statt, wie geplant, gestärkt eher geschwächt wird. Damit rückt der neuere, weiterreichende UNO-Atomverbotsvertrag stärker ins Rampenlicht. Er verbietet die Herstellung, den Besitz und natürlich den Einsatz von Atombomben. Allerdings: Keine einzige Nuklearmacht ist ihm bisher beigetreten und kein Nato-Staat.

Die Welt steckt in einer Sackgasse

Auch die Schweiz steht vorläufig abseits. In Bern steht die Neubeurteilung eines auch vom Parlament geforderten Beitritts an. Dabei gibt es zwei sich widersprechende Argumente: Einerseits spricht das Scheitern der Verhandlungen zum Atomsperrvertrag nun für einen Beitritt zum schärferen Atomverbotsvertrag, um mit diesem den Druck auf die Atomstaaten zu erhöhen. Andrerseits spricht der Ukraine-Krieg dagegen, dass sich die Schweiz gerade jetzt in der zentralen Atomwaffenfrage den Nato-Nachbarn entgegenstellt.

Offenkundig ist: Die Welt steckt bei der atomaren Abrüstung in einer Sackgasse. Selbst kleinste Fortschritte werden blockiert. Vom UNO-Generalsekretär über die weltweite Kampagne gegen Atomwaffen Ican bis zu vielen Regierungen von Nichtatommächten sind die Enttäuschung, die Empörung, die Frustration riesig. Es ist nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich, wenn man in derart spannungsgeladenen Zeiten bei der atomaren Abrüstung keinen Millimeter vorankommt.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger.

Info3, 27.08.2022, 17 Uhr

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