Zum Inhalt springen
Uno-Generalsekretär Antonio Guterres.
Legende: UNO-Generalsekretär Antonio Guterres will in der Katar-Krise vermitteln. Reuters

UNO-Gipfelwoche Der «Superbowl» der Weltpolitik

Bei der UNO hat die jährliche Gipfelwoche begonnen. Amerikanische Medien sprechen vom «Superbowl» der Weltpolitik. Doch um was geht es eigentlich? Eine Einschätzung.

Mehr als hundert Staats- und Regierungschefs, dazu aberhunderte von Ministern, Firmenchefs, tausende von Diplomaten, Journalisten, NGO-Vertretern und viele andere Akteure, das heisst: Bei der UNO hat die jährliche Gipfelwoche begonnen. Welche Themen stehen im Mittelpunkt?

1. Nordkorea: Die zurzeit gefährlichste aller Krisen. Und damit das drängendste Thema auf der Agenda. In der UNO-Generaldebatte werden praktisch alle darüber sprechen. Vor allem aber auch hinter den Kulissen wird dieser Konflikt zu reden geben. Die Präsidenten der USA, Japans und Südkoreas versammeln sich zu einem hastig anberaumten Gipfeltreffen. Viele Regierungschefs werden versuchen, die USA von einem militärischen Angriff abzuhalten – zu dramatisch wären die Folgen. Dass jedoch eine Lösung für das Problem der Neu-Atommacht Nordkorea gefunden wird, ist wenig wahrscheinlich. Erschwert wird das, weil zwei Schlüsselakteure, die Präsidenten Chinas und Russlands, diesmal nicht nach New York reisen.

Fredy Gsteiger

Box aufklappen Box zuklappen
Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er u.a. Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

2. Syrien: Schon seit Jahren ein dominierendes Thema, aber zurzeit aus den Schlagzeilen verschwunden. Obschon die Lage für die Menschen im Land immer noch dramatisch ist. Syrien-Gespräche wird es also am Rande der UNO-Generaldebatte geben. Allerdings rechnen alle mit einem Treten an Ort. Denn genau jene zwei Mächte, die in Syrien über den grössten Einfluss verfügen, nämlich der Iran und Russland, scheinen im Moment den UNO-Friedensprozess weitgehend zu ignorieren. Sie haben den sogenannten Astana-Prozess lanciert. Und verfolgen das zwar nicht offen deklarierte Ziel, Syrien zu stabilisieren, ohne Beteiligung der USA und Europas.

3. Katar-Krise: Sowohl UNO-Generalsekretär Antonio Guterres als auch US-Präsident Donald Trump, sein Vize Mike Pence und Aussenminister Rex Tillerson werden versuchen, zwischen Katar einerseits und Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten andrerseits zu vermitteln. Die Katar-Krise ist zwar nicht so bedrohlich wie die Nordkorea-Krise oder der Syrien-Krieg, aber ausgesprochen lästig in einer ohnehin instabilen Weltgegend. Eine Lösung läge auch im wirtschaftlichen Interesse der Streithähne. Weil aber Macho-Egos der Golfmonarchen in dieser Krise eine grosse Rolle spielen, ist eine Lösung nicht einfach.

4. Blauhelme: Braucht es so viele so grosse und so lang andauernde Blauhelmeinsätze? UNO-Generalsekretär Guterres scheint skeptisch. Die USA auch, vor allem weil sie als grösster Beitragszahler Kosten sparen wollen. Dazu kommt das ständig wiederkehrende Problem von sexuellen Übergriffen durch Blauhelmsoldaten. Nichts schadet dem Image der UNO so sehr wie das. Diese Woche soll nun endlich ein Abkommen unterzeichnet werden, das jene Länder in die Pflicht nimmt, die Blauhelmtruppen stellen. Sie sollen künftig Übergriffe hart bestrafen, was die meisten bisher sträflich versäumten. Die UNO selber hat da nur beschränkte Sanktionsmöglichkeiten.

5. UNO-Reform: Praktisch jeder UNO-Generalsekretär in den vergangenen Jahrzehnten trat mit dem Versprechen an, die schwerfälligen Vereinten Nationen zu reformieren. Guterres scheint es damit ernster zu sein als seinen Vorgängern. Zumal er zuvor als UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge seinen Worten Taten folgen liess. Interessanterweise hat Guterres nun mit der neuen, eigentlich äusserst UNO-skeptischen oder gar UNO-feindlichen US-Regierung einen Verbündeten. Zumindest die Moderateren im Trump-Kabinett, darunter UNO-Botschafterin Nikki Haley, wollen ebenfalls Reformen. Die Chance besteht, dass es da endlich Bewegung gibt.

6. Agenda 2030: Die UNO-Nachhaltigkeitsziele sind das mit Abstand wichtigste und ehrgeizigste Vorhaben der Vereinten Nationen. Sie sollen, etwas salopp ausgedrückt, die Welt besser, wohlhabender, gerechter, friedlicher und ökologischer machen. Die Erfahrung aus den früheren Millenniumszielen zur Armutsbekämpfung zeigt, dass ein solcher Zielkatalog durchaus Kräfte mobilisiert und Fortschritte ermöglicht. Aber es geht um das jahrelange Bohren dicker Bretter. Also: Dranbleiben. Auch während der UNO-Generaldebatte 2017.

7. USA: Wie kann man aus dem «America-First»-Präsidenten Trump einen Multilateralisten machen? Oder zumindest jemanden, der mit und nicht gegen die Uno arbeitet? Immerhin verbringt Trump nun eine ganze Woche bei der UNO, lernt die Weltorganisation besser kennen. Vielleicht hilft das. Denn bisher war klar: Die USA, auf deren Initiative schon der frühere Völkerbund und später die UNO zurückging, sind unverzichtbar. Ohne sie bewegt sich wenig. Allerdings hat China grosse Ambitionen, in der UNO die erste Geige zu spielen, falls die USA auf Tauchstation gehen. Genau diese Perspektive könnte Trump dazu bewegen, sich doch stärker in der UNO zu engagieren, als er ursprünglich vorhatte.

Kim Jong Un.
Legende: Fehlt: Kim Jong Un. Reuters

8. Wer fehlt? Wie immer der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un. Er lässt sich während der UNO-Generaldebatte nie sehen. Es fehlt diesmal auch Bundeskanzlerin Angela Merkel – verständlich, denn der deutsche Wahlsonntag steht vor der Tür. Weniger gut erklärbar ist das Fernbleiben des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des chinesischen Staatsoberhaupts Xi Jinping. Gerade Russland schätzt die UNO-Bühne, weil es dort dank seines Vetorechts im Sicherheitsrat immer noch eine Grossmacht ist und manches, was ihm nicht passt, verhindern kann. Und Xi will China zu einer dominierenden Kraft auf dem UNO-Parkett machen, strebt unter anderem für sein Land den Chefposten für die gesamten Blauhelmeinsätze an. Moskau und Peking schicken zwar hochrangige Delegationen, aber das Fernbleiben der Staatschefs ist möglicherweise keine kluge Strategie.

Meistgelesene Artikel